Wer sich an dem Aufmacherbild stört, hat vollkommen Recht: Die Kunstgeschichte ist voller Abscheulichkeiten. Und nur, weil Dinge historisch sind, entsteht daraus ganz bestimmt kein Recht! Um kunsthistorischen Geschmacklosigkeiten zu begegnen, müssen sie immer wieder neu diskutiert werden. Und genau das passiert in den Museen in Köln. Kurator*innen bringen Kunstwerke in neue Diskurszusammenhänge und perspektivieren damit die Gegenwart. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen geworfen und gefragt, wie das gelingt. Drei Beispiele für kontroverse Kunst in Köln.
RAUTENSTRAUCH-JOEST
Oliver Lueb, Kurator: Ursprünglich ist der „Australische Hund“ ein Foto aus dem frühen 20. Jahrhundert. Es zeigt das natürliche Habitat Zentralaustraliens als „exotische Welt“ und schlummerte lange in unseren Archiven. Im Rahmen von „Revisions“ hat das Bild eine dekolonialisierende Umdeutung erfahren. In dem Projekt überarbeiteten Warlpiri-Künstler* innen aus Zentralaustralien in Zusammenarbeit mit dem britischen Künstler Patrick Waterhouse koloniale Archivalien. Dieser Dingo wurde dabei von der Künstlerin Julie Nangala Robertson als Totem ihrer Familie erkannt, also als spirituelles Wesen. Indem sie das Foto mit ihren Clan-Insignien und dem für Zentralaustralien typischen Dot Painting überzeichnete, hat sie es wieder in seinen kulturellen Kontext überführt.
WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM
Anja K. Sevcik, Barock-Kuratorin: Das Gemälde „Jupiter als Satyr bei Antiope“ von Anthonis van Dyck kann im Kontext unserer vergangenen Ausstellung „Susanna – Bilder einer Frau vom Mittelalter bis MeToo“ betrachtet werden. Die mythologische Szene, in der sich der wollüstige Göttervater an die schlafende Königstochter heranmacht, ist augenfreudig und zugleich verstörend: Eine Vergewaltigung wird folgen. Van Dyck macht uns Zuschauende zu Voyeuren – eine Einladung, uns mit den eigenen Erfahrungswelten und Sichtweisen auseinanderzusetzen. Schließlich zeigt das Bild auch, wie zeitlos manche Probleme sind.
MUSEUM FÜR OSTASIATISCHE KUNST
Dr. Petra Rösch, stellv. Direktorin: Die chinesisch-buddhistische Stele ist Teil der Ausstellung „Kunst ist das Programm! – Alfred Salmony und die Sammlung des MOK während der Weimarer Republik 1918–1933“. Salmony war der erste stellvertretende Direktor des MOK und setzte sich für die Gleichstellung von ostasiatischer und chinesischer Kunst mit europäischer Kunst ein. Noch heute befinden sich viele Ostasiatika-Sammlungen in ethnologischen Museen statt in reinen Kunstmuseen wie dem MOK.
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