Im Kölschen Liedgut hat das Büdchen seinen festen Platz. Die Bläck Fööss singen vom „Bickendorfer Büdchen“ und erzählen in dieser Alltags-Miniatur vom Zusammenleben in der Großstadt. „Kölsch Kippe Lederjacke“, der Hit des Kölner Deutsch-Rappers Veedel Kaztro, erschien 2013 auf der „Büdchen EP“. Die Büdche Boys coverten 2014 Beastie Boys Song auf Kölsch („Keen Schlof bes Nippes“).
Sie sind erste Anlaufstelle, Dreh und Angelpunkt im Veedel. Und wie alles in diesen Zeiten sind die Büdchen im Wandel. Spitzenkaffee, Pizza, Naturwein: Neben Altbewährtem wie der bunten Tüte und dem Kioskbier taucht Neues auf, experimentell, traditionell, verbindlich und zwanglos: Das Kölsche Büdchen kann das alles sein.
Das Vertraute: Zum Nachbar’s Eck (Ehrenfeld)

Nicht weit von der wuseligen Venloer Straße betreibt Furkan Erdemli, 28, seinen kleinen Kiosk an der Ecke eines Arbeiter*innen-Wohnblocks. Er kam zum Laden während der Coronazeit: „Das war ein Impulskauf“, sagt er.
Aber kein Zufall: Furkan ist im Veedel aufgewachsen. Er kennt seine Kund*innen mit Namen. Viele von ihnen hat er auf Schwarz-Weiß-Bildern verewigt und mit ihnen die Wände ausgeschmückt, Porträts, die er mit seiner Mittelformatkamera geschossen hat. Und so zeigt der Kiosk auch im Inneren, was eigentlich jedes Büdchen nach außen verspricht: Genuss, Austausch, Zusammenhalt.

Furkan lebt das und seine Kund*innen wissen, was sie an ihm haben: Wenn ihnen die Schlange zu lang ist und sie ohne zu bezahlen schnell zwei Flaschen aus dem Kühlschrank greifen („Zahl‘ ich nachher!“, Furkan: „Alles klar, Olli.“). Wenn sie mit Sackkarre und vier Riesenpaketen auftauchen („Kein Problem, bring sie rein.“). Oder wenn ein Vater seinem Anderthalbjährigen die Hörgeräte hinter Furkans Ohren zeigen will, weil der Kleine selbst gerade „Lauschis“ bekommen hat („Siehst du, der Furkan hat auch welche!“ Furkan: „Als ich die bekommen habe, war ich auch ganz klein!“).
Längst hat sich aber auch herumgesprochen, dass für Furkan bald ein neues Kapitel anfängt. Er will sich beruflich verändern. Den Laden wird er natürlich in gute Hände geben, dieser Verantwortung ist er sich bewusst.
Unbedingt probieren: Kölsch, als Wegbier für alle, die zu den Clubs jenseits der Ehrenfelder Ränder wollen (Schrotty oder Fi), oder auf dem Bänkchen in der Nachmittagssonne vor dem Laden.
Soundtrack: AnnenMayKantereit – Tommi
Öffnungszeiten: 9 bis 23 Uhr, am Wochenende erst ab 10 Uhr, und oft länger als 23 Uhr.
Adresse: Helmholtzstraße 62, 50825 Köln
Der Vegane: Fritzi (Vogelsang)

Wer sich in die äußerste Ecke dieses Gewerbegebiets in Vogelsang verirrt, hat das Glück, am ersten veganen Kiosk Kölns anlanden zu können. Das Fritzi, angeschlossen an das vegane Catering Hempies, besticht rein äußerlich durch funktionale Schlichtheit und vermag umso mehr Momente der Ruhe zu erzeugen, mit einem veganen Mittagsgericht, Backwaren, einer feinen Auswahl an Ramen, Knabbereien, Süßigkeiten und Kaltgetränken.
Unaufdringlicher Veganismus im Kioskformat: „Das Essen schmeckt lecker, und dann sind alle zufrieden“, sagt Josie. Die 26-Jährige kocht und verkauft sich in die Herzen nicht nur der Kinder, die für die ebenfalls veganen (und damit halal) Süßigkeiten kommen. Das Angebot nehmen auch die Angestellten der umliegenden Betriebe in Anspruch sowie die Schüler*innen und Lehrer*innen der drei umliegenden Gesamtschulen. Ein Stopp an Josies Verkaufsfenster passt perfekt, wenn man aus dem Trubel Ehrenfelds kommend stadtauswärts radelt und sich stärken will, um den Nachmittag zum Beispiel im Äußeren Grüngürtel zu verbringen.
Das FC-Stadion ist nur noch wenige Kilometer entfernt. Der Weg dorthin führt über eine orangeleuchtende Fahrradbrücke gleich hinter dem Kiosk, mit einer Rampe, die von ihren Architekt*innen platzsparend zusammengefaltet wurde und das Überqueren des vierspurigen Militärrings zum Erlebnis macht.
Unbedingt probieren: Wenn’s schnell gehen muss: Kimchi-Ramen, frisch aus der Tüte, heiß aufgebrüht.
Soundtrack: Dolly Parton – 9 to 5
Öffnungszeiten: Freitag bis Sonntag geschlossen. Montag bis Donnerstag, 7:30 bis 16 Uhr.
Adresse: Am Wassermann 1, 50829 Köln
www.hempies-vegan.de
Das Hippe: King Georg, Kaffeebüdchen (Agnesviertel)

Ein freistehendes Büdchen auf der Mittelallee, die vom Ebertplatz abzweigt: Wer auf den Hype um Kaffeebohnen, Welthandel auf Augenhöhe, Barista- und Rösthandwerk allergisch reagiert, sollte einen Bogen um den kleinen Laden machen. Denn Niklas und seine Kolleg*innen verkaufen hier Kaffee in allen Varianten: klein, groß, länger und kürzer gelaufen, im Sommer über Eis mit Limonade, mit viel und wenig Milch und pflanzlichem Ersatz, mit dem Segelschiff transportiert und mit einem Euro Aufschlag für die Kooperative im Aufbau.

Mit zehn verschiedenen Sorten, geröstet in der Kaffeerösterei zwoo in Ehrenfeld, umspannen sie die Welt. Kaffee-Nerd-Wissen, appetitliche Latte-Art und abends im Sommer manchmal ein DJ-Set sind inklusive.
„Impact durch Genuss, so beschreiben wir immer unser Ziel“, sagt Kiosk-Chef Niklas, 25, während er Unternehmensberaterin Adrienne und Rechtsanwalt Yule versorgt. Die beiden führt ihr „Mental-Health-Spaziergang“ jeden Mittag aus dem Homeoffice zum Büdchen. „Das haben wir uns während Corona so angewöhnt und danach beibehalten“, sagt sie.
Wie die meisten Stammgäste nehmen sie ihren Kaffee im Stehen, aber wie es sich gehört im Glas oder in der Tasse. Kurzurlaub am von Beton geprägten Ebertplatz: „Wir sind schon so eine kleine Insel hier auf der Straße“, sagt Niklas.
Unbedingt probieren: Die perfekte Kaffeesorte finden. (Viel Glück!)
Soundtrack: Bläck Fööss – Kaffebud
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen erst ab 10 Uhr
Adresse: Sudermanstraße 2, auf dem Mittelstreifen, 50670 Köln
www.zwookaffee.de
Das Edle: Büdchen am Südpark (Marienburg)

Am Marienburger Südpark steht von allen Büdchen der Stadt wohl das mit der exklusivsten Lage. Es liegt an einer Endhaltestelle, was sonst oft Peripherie bedeutet. Diese hier befindet sich aber im Villenviertel. Das Büdchen füllt nicht nur mehrere (Nah-)Versorgungslücken der gutbetuchten Nachbarschaft (Kaffee zum Hinsetzen oder Mitnehmen, Zeitungen, Wein, Bier, Champagner, Süßigkeiten, frische Brötchen und die neapolitanische Pizza).

Es eröffnet den traditionell auf Diskretion ausgerichteten Marienburger*innen auch einen Ort der Begegnung, der inzwischen auf lebhaftes Interesse stößt. Das liegt auch am Personal. „Ohne uns wäre das einfach nur eine langweilige Bushaltestelle“, sagt Denis, 34, und lacht. Der gelernte Hotelfachmann nennt sich scherzhaft Büdchenmanager.
Er ist für den Betrieb zuständig. Drei Marienburger der jüngeren Generation stehen als Inhaber und Geldgeber hinter ihm und seinen Kolleg*innen. Der Weg zu ihnen lohnt sich auch für Besucher*innen. Die Architektur in den Straßen zum Büdchen ist so sehenswert wie der Wohlstand der Erbauer und Eigentümer*innen offenkundig.
Mit Pizza und Perlwein (oder jeglichem anderen Kaltgetränk aus dem Sortiment) lässt es sich auf der Wiese hinter dem Büdchen gut aushalten. Direkt neben dem Büdchen beginnt der Südpark mit Spielplatz.
Unbedingt probieren: Echt neapolitanische Pizza (48 Stunden Teigreife!) mit Amalfi Zitronen
Soundtrack: Francesco Wilking – Il mio Bungalow
Öffnungszeiten: Montag geschlossen, sonst 8 bis 20 Uhr.
Adresse: Am Südpark 0, 50968 Köln
www.buedchen.world
Das Traditionelle: Schumachers Büdchen (auch „Fred“, Innenstadt)

„Pakete? Ne, dafür habe ich keinen Platz“, sagt Karl-Heinz. Sein kleines Büdchen steht an den Ringen. Nachbarschaftspflege gehört eher zu den nachrangigen Funktionen. Er bedient durch eine kleine Luke, dicht umrahmt vom traditionellen Kiosk-Sortiment: Kaltgetränke, Rauchwaren, Knabberzeug, Süßigkeiten und Eis.
Karl-Heinz betreibt den wohl ältesten Kiosk der Stadt seit 40 Jahren. Er saß also schon hier, als die Ringe noch fest in der Hand von Zuhältern waren, die an der Arbeit – und oft am Elend – von Prostituierten verdienten. Man muss Karl-Heinz nicht lange bitten. Dann erzählt er von früher.

Er freut sich über das Jungvolk am Wochenende, wenn sie bei ihm einkaufen, viele mit Zeit und guter Laune. „Dann erzählen die auch mal einen Schwank aus ihrem Leben“, sagt er.
Dass sein Büdchen keinen richtigen Namen hat, stört ihn offenbar nicht. Die Kölner kennen es als Fred-Kiosk. Doch der namensgebende Sponsor hat vor kurzem die Zahlungen eingestellt. Karl-Heinz hat seine Reklame samt einprägsamem Namen ersetzt.
Unbedingt probieren: Bummsschorle
Soundtrack: Veedel Kaztro – Kölsch Kippe Lederjacke
Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag bis 20 Uhr, am Wochenende mit offenem Ende
Adresse: Beethovenstraße, Ecke Hohenstaufenring, 50674 Köln
Das Umtriebige: Hin & Weg (Rathenauplatz)

Wer das Belgische Viertel nach Süden verlässt, trifft gegenüber der Synagoge auf den Rathenauplatz. Er scheint in den Straßen der Neustadt fast unwirklich groß und bietet sich an für eine Verschnaufpause auf dem Weg ins nächste Viertel.
In einem der Wohnhäuser, die ihn umstehen, haben sich die drei Freunde Carlo, Max und Lukas im Dezember 2024 ein Büdchen angelacht. Vielleicht sind es ihre sonnigen Gemüter, die dem kleinen Laden so viel Ausstrahlung verpassen.

An der minimalistischen Deko liegt es eher nicht, wohl aber strotzt das Sortiment nur so vor Liebe zu besonderen Produkten: Angesagte Naturweine, andere Tropfen von deutschen und österreichischen Winzern, bayrische neben italienischen Bieren und Kölsch, frisches Gebäck, Croissants mit Pistazienfüllung und Kaffee aus einer Kaffeemaschine, über die Max sagt: „Völlig überdimensioniert, aber das war uns wichtig.“
Liebe und Geschäftssinn schließen sich für die Drei nicht aus. Sie planen einen eigens für das Büdchen abgefüllten Wein, eine Espressoröstung nach ihren Vorstellungen, vielleicht noch mehr Veranstaltungen und Catering.
Im Moment arbeiten sie parallel noch in anderen Jobs. Aber so wie sich das Büdchen „einfach ergeben“ hat, so ist leicht vorstellbar, wie aus ihm die nächsten Projekte wachsen. Gerade freut sich Max auf den ersten Büdchensommer: „Wir kennen ja die Trinklaune der Kölner.“
Unbedingt probieren: Eis am Stiel von Mouth Propaganda
Soundtrack: Querbeat – Randale und Hurra
Öffnungszeiten: 8:30 bis 21 Uhr, am Wochenende ab 9:30 Uhr
Adresse: Meister-Gerhard-Straße 1, 50674 Köln
www.instagram.com/hinundwegkoeln
Das Nostalgische: RheinBüdchen (Altstadt)

Ihr seid gerade am Hauptbahnhof aus dem Zug gestiegen und müsst euch erst einmal orientieren? Entgeht der engen Altstadt, vergrößert den Abstand zum Dom, der dadurch sowieso besser sichtbar wird, und tretet ans Rheinufer (aus dem Bahnhof raus zum Breslauer Platz und einfach rechts die Straße runter).
Durchatmen, Blick schweifen und Menschen vorbeiziehen lassen: Einfacher in Köln ankommen geht nicht. Das Rheinbüdchen gleich neben euch versorgt euch jetzt mit dem Genussmittel eurer Wahl. Und mit ein bisschen Nostalgie.
Seine runden Ecken und das kleine Vordach versprühen Wirtschaftswundercharme. Baujahr 1951, seit 2022 unter Denkmalschutz und seit Ostern 2024 renoviert und wiedereröffnet. Betreiber Markus bringt es auf dem Punkt: „Das ist einfach ein schönes Büdchen!“
Seine Chefin ist übrigens seine Mutter. „Seit 30 Jahren macht sie die Schiffe“, sagt der 22-Jährige und zeigt auf den Anleger nebenan. Die Flussrundfahrten des Familienbetriebs starten hier und im Büdchen, das inzwischen dazugehört, verkauft Markus die passenden Tickets, quasi eine Außenstelle des Kassenhäuschens nebenan.
Noch weiter flussabwärts legen die Kreuzfahrtschiffe an. Dann strömen Gruppen aus allen Herren Länder über die Promenade Richtung Dom und Altstadt. Mancher flüchtet sich bei Regen unter das Vordach des Rheinbüdchens. Nicht die schlechteste Zuflucht.
„Das ist ein schöner Arbeitsplatz“, sagt Markus. Und klar, er hat auch ein paar Tipps für ganz Orientierungslose: Die Seilbahn ist nicht weit, der Zoo, Dom und Altstadt, das reicht doch fürs Ankommen in der (laut Stadionsprecher des FC) „schönsten Stadt der Welt“, oder?
Unbedingt probieren: Eine Fahrt mit dem „Müllemer Böötche“ auf die andere Rheinseite
Soundtrack: Burnt Friedman, Jaki Liebezeit – Rhein rauf
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag, 9 bis 19 Uhr
Adresse: Trankgassenwerft, 50668 Köln
www.koelntourist.net/kiosk
0 Kommentare zu “Von Büdchen zu Büdchen”