Nina Ruthe und David Antonin vom Design Studio Niruk
Nina Ruthe gründete 2011 das Design Studio Niruk. David Antonin kam 2013 hinzu, erst als Praktikant, später wurde er ihr Studiopartner. Foto: Lisbet Peremans

Erfindergeist und Liebe zum Detail: Das Design Studio Niruk

Sie lieben es, Experimente zu wagen, und brennen für die Entwicklung innovativer Materialien: Nina Ruthe und David Antonin stehen mit ihrem Design Studio Niruk für zeitlose Eleganz.

Wie kommt man auf die Idee, Glas mit einem Waffeleisen zu formen?

Nina Ruthe: David und ich, wir hatten uns für einen Workshop in Berlin angemeldet. Da ging es darum, möglichst schnell Ideen fürs Glasblasen zu generieren und experimentelle Formen zu bauen. Man sollte dafür Material mitbringen, egal was. Ich dachte, es wäre doch cool, etwas zu pressen, und habe angefangen im Internet zu recherchieren – und da habe ich alte Waffeleisen entdeckt. So fing das an.

David Antonin: Damals hatten wir zwei, jetzt haben wir sechs, mit verschiedenen Profilen. Ich hatte bei besagtem Workshop noch einen Sandwichtoaster dabei, daraus sind unsere Dreiecksvasen entstanden.

Flache Vase mit Waffeleisenmuster und filigranen, grünen Blumenarrangement.
Innovativ: Das Niruk Studio stellt ihre Vase Waffle mit Hilfe von antiken Waffeleisen her. Foto: Niruk

Gibt es in Köln Orte, an denen Ihr nach solchen innovativen Werkzeugen sucht?

N: Grundsätzlich halten wir immer an, wenn irgendwo Sperrmüll steht. Und ich bin in der letzten Zeit sehr oft beim Wertstoffhof, weil ich ein kleines Haus renoviere. Und da wundere ich mich immer, was die Leute alles wegwerfen…

Ihr probiert Dinge aus, ohne vorher zu wissen, ob es klappt. Wie hoch ist eure Erfolgsquote?

D: Ach, es klappt vieles nicht. Einmal haben wir mit Türgriffen aus Porzellan experimentiert. Da hatten wir ein paar Sachen eingepresst, die dann beim Brand explodiert sind. Ein ganzer Brennstapel ist uns zerschossen, das war nicht so gut. Ich würde sagen, 50 Prozent sind so, dass man sagt: Kann man machen, kann man aber auch zur Seite legen. 

Was war das schönste Erfolgserlebnis?

D: Das waren für mich die modular zusammensteckbaren Glasblasformen. Die waren teilweise aus Holz und wir waren super aufgeregt, weil wir nicht wussten: Wie verhält sich das? Wir dachten, es brennt uns vielleicht komplett weg. Aber am Ende entstand so unsere Falda-Vase: Die Holzform ist richtig schön weggekokelt, wir standen mitten im Rauch, haben den Feueralarm ausgelöst und nichts mehr gesehen.

Fehlversuche gehören zum Prozess dazu. Man muss von der Idee bis zum fertigen Produkt immer vor- und zurückgehen.

David Antonin

N: Das Gute ist: Wir lernen immer Leute kennen, die genauso leidenschaftlich sind wie wir. In dem Fall war es ein Glasbläser, der eigentlich Künstler ist. Gut, natürlich ist es schlecht, wenn er so gar nichts mehr sieht, da mussten wir schnell die Türen öffnen, damit der Rauch abzieht. Aber grundsätzlich war ihm egal, ob es qualmt – das Ergebnis zählt.

Deprimieren Euch die Fehlversuche?

D: Überhaupt nicht. Das gehört zum Prozess dazu. Man muss von der Idee bis zum fertigen Produkt immer vor- und zurückgehen, sich annähern. Wir haben das Material Corcrete entwickelt – eine Mischung aus Beton und recyceltem Kork, in Terrazzo-Optik. Da sind wir seit zehn Jahren dran und jetzt erst haben wir einen passenden Hersteller namens HARTIS in Belgien gefunden und sind so weit, dass es gut verkäuflich ist. 

Zwei Tische des Design Studios Niruk aus dem Material Corcrete vor weißem Hintergrund.
Corcrete ist eine besondere Mischung aus Cork und Concrete – also aus recyceltem Kork und Beton. Foto: Niruk

Eure Arbeit ist sehr sinnlich. Wie geht Ihr vor – gibt es erst die Idee und dann den Auftrag?

N: Es gibt zwei Wege: Entweder entwickeln wir eigeninitiierte Projekte, wie beim Waffeleisen. Da probieren wir in einem sinnlichen Prozess Dinge aus – und aus diesem Ausprobieren schöpft man hinterher die Inspiration für Aufträge, die reinkommen. Oder: Man bekommt ein Briefing und entwirft gezielt. Und in den letzten Jahren war es schon so, dass die Themen Oberfläche, Haptik, all die sinnlichen Dinge gefragt waren – was uns in die Karten gespielt hat.

D: Es ist ein geplantes Experiment, wie ein Versuchsaufbau. Viele Projekte laufen über mehrere Monate. Und wir beraten ja auch Kunden, wie zum Beispiel Miele, in Sachen Nachhaltigkeit – das ist mit viel Recherche verbunden. 

Ist das der Grund, warum Ihr euch als Team zusammengefunden habt – die gemeinsame Freude am Experimentieren?

D: Ich glaube schon. Die Begeisterung für Materialien und Formen. Wenn ich daran denke, wie wir entwerfen: Das geht relativ schnell, dieser erste Impuls und dann auch die Entscheidung in der Frage, ob etwas Potenzial hat oder nicht.

Ihr seid Designer, Ihr entwerft schöne Dinge. Was ist für Euch schön?

N: Das liegt ja im Auge des Betrachters. Aber ich glaube, wir würden nicht zusammenarbeiten, wenn wir nicht ähnliche Dinge schön oder ästhetisch fänden. 

D: Ich finde, unsere Sachen zeichnen sich dadurch aus, dass sie elegant sind und sich trotzdem einfügen. Jede Form ist in sich irgendwie geschlossen, auch wenn sie organisch ist. Und jede hat etwas besonders Sinnliches – je nach Lichteinfall oder Position ändert sich ihr Aussehen. Man sieht sich nicht satt. 

Nina Ruthe und David Antonin von der Seite in ihrem Design Studio Niruk
Nina Ruthe und David Antonin verbindet die gemeinsame Begeisterung für neue Formen und innovative Materialien. Foto: Niruk

Nachhaltigkeit ist für Euch ein großes Thema, Ihr unterrichtet auch Student*innen im Bereich nachhaltiger Materialien. Wie sensibilisiert Ihr den Nachwuchs dafür?

D: Wir müssen unsere Studierenden gar nicht mehr dafür sensibilisieren. Im Moment ist es eher andersrum. Wir haben ein Glasprojekt mit ihnen gemacht im Sommer, und wir mussten immer wieder sagen: Seid erstmal frei, probiert euch aus, um einfach die Welt der Materialien kennenzulernen. Durch den Gedanken an den hohen Energieverbrauch bei der Glasproduktion ist man sehr schnell gehemmt, und das ist eine Frage, die wir uns auch immer wieder stellen: Was ist für uns Nachhaltigkeit? Es ist vor allem die Langlebigkeit. Dinge, die lange halten und die wir lange, gerne nutzen. 

Nachhaltiges Design ist zu häufig nur Upcycling und Recycling. Das kann nicht die Lösung sein.

Nina Ruthe

N: Nachhaltiges Design ist zu häufig nur Upcycling und Recycling. Das kann nicht unbedingt die Lösung sein, denn die Materialien sind nicht unendlich recyclebar. Wenn ich etwas aus Recyclingmaterial herstelle und das hält dann aber nur fünf Jahre, dann macht das auch nur Sinn für einen kleinen Bereich der Produkte.

D: In der Beratung von großen Firmen können schon kleine Details einen Unterschied machen. Wenn bei einer Massenanfertigung das Moosgummi am Griff durch Kork ersetzt wird beispielsweise.

Die Student*innen müssen also eher überzeugt werden, nicht allzu dogmatisch vorzugehen?

N: Man muss ja auch erstmal Wissen aufbauen. Man kann nicht sagen: Ich arbeite nicht mit Glas oder mit Metall, das ist zu energieintensiv. Oder: Wir machen nur noch aus Fichte-Latten vom Sperrmüll irgendwelche Stühle. Das ist nicht die Lösung, das wird in Serie nicht funktionieren. Ich finde solche Ansätze super, fürs Bürgerzentrum oder als Selbstbauanleitung. Aber es hat nichts mit unserem Beruf zu tun. Das muss man ganz klar sagen. Wenn man mit großen Kunden redet, die gigantische Stückzahlen produzieren, da muss man wirklich andere Konzepte entwickeln.

Was bedeutet Köln für Euch als Designer*innen?

N: Ich finde, Köln ist ein toller Standort. Natürlich auch wegen der Möbelmesse IMM. Wir haben hier viele Kolleg*innen, die ähnlich wie wir für internationale Kunden aus der Möbelbranche arbeiten. Wir sind in gutem Austausch und es finden oft Treffen statt. Man kennt die Szene ganz gut. Das ist auch Sabine Voggenreiter zuzuschreiben, die unter anderem die Passagen kuratiert und sich immer sehr engagiert, um Leute zusammenzubringen und zu fördern. 

D: Die Lage von Köln ist super. NRW hat ganz viele Hochschulen, Museen und Messen. Man ist schnell in Frankfurt, Düsseldorf und auch in Belgien und Holland.

N: Man hat immer schnell Kontakt, auch wenn es um Möglichkeiten für Förderungen geht. Das liebe ich an Köln, dass alle hier so offen sind und ich jeden einfach so ansprechen kann. Ich war ja anfänglich auch bei Köln Design. Man kennt einfach viele Leute, hat ein Netzwerk. 

D: Bei der IMM haben wir schon öfter teilgenommen, in Gruppenausstellungen. Wir wollen in Mailand ausstellen und hätten Lust, auch auf den Passagen auszustellen!

Habt Ihr einen Bestseller?

D: Im Moment der Kerzenständer Lily für Bolia. Als unsere Bramble-Vase herauskam, war gerade eine Corona-Hochphase. Sie hat sich trotzdem online gut verkauft, aber wir haben das schon gemerkt. 

N: Viele Unternehmen haben in diesen Krisenzeiten eine Neuausrichtung vorgenommen, alles dreht sich um Nachhaltigkeit, da muss man erstmal seinen Platz finden. Aber wir haben genug zu tun.

Was ist für Euch wichtiger: Ästhetik oder Funktionalität – wie bei dem praktischen Stammtisch?

N: Auf den Stammtisch bin ich schon sehr stolz. Wir fertigen ihn mit der Behindertenwerkstatt hier in Hürth und man kann ihn online über uns oder in Köln bei Ehrenfeld Apparel kaufen. Es war unser erstes kleines Mini-Produkt, das wir gemeinsam entworfen haben. 

D: Für mich ist das Highlight Corcrete. Weil es so lange gedauert hat und nun endlich abgeschlossen ist. 

N: Und wenn Kunden anfragen, mit denen man nicht gerechnet hat, bei denen man sich fragt: Wie kommen die denn auf uns? – dann freuen wir uns auch immer sehr. 

Was für innovative Materialien gibt es noch, die in die Richtung gehen wie Corcrete?

D: Jedes Mal, wenn wir in der Produktion sind, sei es beim Holzbiegen oder beim Steinmetz – es ist jedes Mal etwas Neues und macht jedes Mal wieder Spaß. 

Flexibler Begleiter: Der Stammtisch kann sowohl drinnen als auch draußen individuell genutzt werden. Foto: Niruk

Wenn Köln ein Material wäre, was wäre es?

N: Da würde ich etwas nehmen, das eigentlich hässlich ist, aber trotzdem eine Schönheit hat. 

D: Ich habe gerade an Basalt gedacht, an diesen matten Stein. Der ist löchrig, ein bisschen dunkel, ein bisschen dreckig, aber trotzdem natürlich und irgendwie schön.

N: Ich dachte an diese Recycling-Kunststoffplatten, wo diese ganzen bunten Flakes drin sind. Richtig schön glattgeschliffen, ganz bunt, so ein bisschen wie Konfetti.

Was steht für Euch 2023 an?

N: Unser zehnjähriges Jubiläum. Und wir hoffen auf ganz viele Neukunden und eine gute Zusammenarbeit mit den Bestandskunden. Dass wir einfach weiter gemeinsam unser Ding machen können – das wünschen wir uns. 

Design Studio Niruk, Burgstr.21, 50354 Hürth

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