Paul Nolte ist Inhaber der Kölner Brauerei Nolte Bier. Das Geschäft mit dem Bier liegt ihm im Blut: Bereits sein Großvater war Inhaber der Kölner Traditionsbrauerei Sester. Mit Nolte Bier lässt der 35-Jährige eine alte Familientradition wieder aufleben. Nolte will mit seinem Cristall Bier einen in Vergessenheit geratenen kölschen Braustil wiederentdecken.
Inspiriert von Ausflügen in die Familienbrauerei des Großvaters, wollte Nolte bereits als Kind selbst Brauer werden. 2020 machte sich der Betriebswirt und Braumeister dann selbstständig. Seitdem verkauft er sein Bier aus dem Herzen Ehrenfelds, direkt gegenüber von der ehemaligen Familienbrauerei. Im Interview erzählt er, wie er die Kölner Bierlandschaft revolutionieren will und was das mit seiner Familie zu tun hat.
Interview mit Paul Nolte von Nolte Bier
Wo kommt deine Leidenschaft für Bier her und was hat das mit deiner Familie zu tun?
Mein Großvater war früher Inhaber der Sester Brauerei in Köln. 1996 hat meine Familie die Brauerei leider verkauft. Als Kind habe ich sehr viel Zeit dort verbracht. So habe ich den Betrieb und die Mitarbeiter kenngelernt. Ich habe mich wie zu Hause gefühlt. Ich würde sagen, die Leidenschaft dafür liegt auch in den Genen: Wenn ich eine Brauerei rieche, geht mir das Herz auf.
Eine Brauerei ist auch ein krass stadtprägendes Unternehmen. Ich will nicht sagen, dass man direkt Teil der Stadtprominenz wird, aber es ist doch immer ein Thema. Der Betrieb war bis zum Ende hin immer eine Identität der Familie.
Eine Brauerei ist auch immer ein krass stadtprägendes Unternehmen.
Paul Nolte
Wie knüpft deine Leidenschaft an die Bier- bzw. die Kölsch-Kultur in Köln an?
Mein Großvater hat ab den 70er Jahren ausschließlich Kölsch gebraut. Kölsch ist ein super Marketingtool: Man hat einen Braustil, der den Namen der Stadt trägt. Man darf aber nicht vergessen, dass die Vielfältigkeit früher viel größer war und alles Mögliche gebraut wurde. Genau da möchte ich anknüpfen: Alte, traditionelle Braustile, die damals vom Markt verdrängt wurden, liegen heute wieder im Trend! Unser Cristall Bier ist ein Zwitter aus einem Hellen und einem Pils. Dieser Braustil hat zurzeit die meisten Zuwächse. Das sollte man der Stadt auch nochmal auf die Nase drücken.
Du hast dich also ganz bewusst gegen einen Kölsch entschieden.
Auf jeden Fall. Was ich in der Zukunft machen werde, sei mal dahingestellt. Ich finde allerdings, dass die Kölner Braulandschaft mehr von sich zeigen sollte. Wenn man zurückschaut, sieht man, dass es vor 100 Jahren in Köln über 100 Brauereien gab. Da wurde alles Mögliche gebraut. Irgendwann stockten die Innovationen, man hat sich auf dem Kölsch ausgeruht. Da möchte ich dran rütteln und unsere regionale Braukultur wieder in den Fokus rücken.
Dein Cristall beruht auf einem alten Familienrezept. Was machst du anders als dein Opa damals?
Viele ehemalige Brauereimitarbeiter kennen das Cristall von meinem Opa noch. Sie wissen nicht, ob sie bei meinem Bier einen Unterschied zu damals schmecken. Probiert habe ich das originale Cristall leider nie, da die Produktion ab den 70er Jahren eingestellt wurde. Ich würde mich aber nicht wundern, wenn es sehr nah an dem Cristall meines Opas ist. Ich nutze natürlich das Originalrezept aus dieser Zeit, habe es aber an aktuelle Prozesse und Rohstoffe mit der Doemens Akademie in München angepasst.
Dein Großvater ist also immer noch eine Inspiration für dich. Spielt er eine große Rolle in deiner Brauerei?
Ja, definitiv. Die Marke Sester gibt es schon seit 1805. Mein Großvater hat nach dem Krieg mehrere Brauereien aufgekauft und einen großen Betrieb daraus gemacht. Ich bin schon sehr stolz, wie er sich in schwierigen Zeiten bewiesen hat. Mir war wichtig, meinen Opa auch mit meinem eigenen Bier in Ehren zu halten. Deswegen ist sein Konterfei auf den Kronkorken des Cristalls zusehen.
Wusstest du schon immer, dass du einen ähnlichen Weg gehen möchtest?
Ja, das ist Fluch und Segen. Ich wusste immer, dass ich in die Bierindustrie gehen will. In unserer Familie mussten wir ab unserem 12. Lebensjahr jeden Sommer in den Schulferien ein Praktikum machen – ich natürlich immer in einer Brauerei. Das lag auch in meinem eigenen Interesse, so bin ich da reingewachsen. Mein Vater meinte aber, ich solle nach der Schule erstmal was anderes machen. Deshalb habe ich Betriebswirtschaft in Maastricht und Aarhus studiert. Aber ich bin mir immer treu geblieben und hab danach eine Ausbildung zum Brauer und Braumeister gemacht. Ich bin der Meinung, wenn man ein Konsumgut wie Bier auf den Markt bringen will, muss man die Prozesse auch verstehen und wissen, wie man es herstellt.
Ich bin der Meinung, wenn man ein Konsumgut wie Bier auf den Markt bringen will, muss man die Prozesse auch verstehen und wissen, wie man es herstellt.
Paul Nolte
Und wie hast du dich dann dazu entschieden, dass du jetzt dein eigenes Ding machst?
Es war schwierig. Ich habe zunächst bei AB InBev, dem weltweit größten Brauerei-Konzern, gearbeitet. Eigentlich wollte ich mich nach einem Jahr selbstständig machen. Es hat aber dreieinhalb Jahre gedauert. Irgendwann habe ich meinen Mut zusammengenommen, weil ich wusste: Jetzt ist die Zeit.
Du machst den Betrieb gemeinsam mit deiner Familie. Business und Familie miteinander zu vermischen ist bestimmt nicht immer einfach.
Absolut. Meine Frau macht Marketing und Social Media für uns. Sie ist eigentlich gelernte Schauspielerin und aktuell an der Oper Köln beschäftigt. Nichtsdestotrotz müssen alle mit anpacken, auch die Eltern und unser 2-jähriger Sohn. Der übernimmt hoffentlich einmal in sechster Generation das Brauen in unserer Familie. Meinungsverschiedenheiten gibt es immer. Der Vorteil ist allerdings, dass es bei uns nicht ums Geld geht. Dadurch fühlt sich die Arbeit oft wie Spaß an, auch wenn ich viel Verantwortung trage. Ich bin in einem Alter, wo ich noch viel ausprobieren will. Man sollte nicht alles allzu ernst nehmen.
Was sind denn Dinge in der Zukunft, die du gerne noch ausprobieren möchtest?
Wir sind jetzt gerade dabei, eine Gastronomie zu übernehmen, die wir selbst betreiben wollen. Das ist natürlich ein riesiger Schritt. Langfristig ist das Ziel die eigene Braustelle. Dass das Bier aus der eigenen Stadt kommt, ist in meinen Augen mit das Wichtigste. Allerdings ist die Kölner Bierindustrie ein bisschen eigen: Hier werden obergärige Biere gebraut, die nicht so gerne mit untergärigen Hefen wie dem Cristall vermischt werden. Außerdem ist eine eigene Brauerei ist auch ein enormes Risiko. Die wirtschaftliche Situation zurzeit macht es nicht einfach. Der Biermarkt stagniert und ist im Augenblick sehr schwierig, da muss man sich nichts vormachen. Manchmal denke ich, es wäre rentabler, Klopapier zu verkaufen.
Eure eigene Gastronomie kommt ja erst noch. Wo gibts euer Bier bisher zu kaufen?
Wir sind im Rheinland tätig, also Köln, Bonn und Düsseldorf. Vor allem Düsseldorfer*innen freuen sich, endlich mal ein gutes Bier zu trinken. Wir haben während der Pandemie angefangen, deshalb war der Start ziemlich gut. Die Leute hatten Zeit und wollten Neues ausprobieren. Aber sobald die Corona-Regeln gelockert wurden, sind viele wieder ins Restaurant gegangen. Das war für uns schwierig, weil wir uns eher auf die Getränkemärkte fokussiert hatten als auf die Gastronomie. Mittlerweile gibt es immer mehr Gastronomien, die das Cristall am Hahn haben.
Du bewirbst dein Cristall mit Tradition aus Ehrenfeld. Wie passen Tradition und Ehrenfeld zusammen?
Ehrenfeld ist ein ganz alter Kölner Stadtteil, der erst in den letzten 20 Jahren richtig Zuspruch gefunden hat. Davor war es ein Arbeiter- und Rotlichtviertel. Auch wenn es mittlerweile ein Hipsterviertel geworden ist, sind hier noch viele alte, traditionelle Menschen. Das macht das Ganze interessant. Unser Slogan ist auf eine neue Tradition, wir wollen beides verkörpern. Deshalb passt Ehrenfeld super und ich würde hier auch niemals weggehen wollen.
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