Auf der lit.pop in Köln kommen junge Stimmen der Literatur-, Kunst- und Kulturszene zu Wort. Foto: Sabrina Fricke
Auf der lit.pop in Köln kommen junge Stimmen der Literatur-, Kunst- und Kulturszene zu Wort. Foto: Sabrina Fricke

lit.pop 2024: jung, divers, politisch

Auf der lit.pop gibt's mit Lesungen, Diskussionen und Performances Unterhaltung, bei der man noch was lernen kann. Das sind fünf Highlights des jungen Kulturfestivals:

Am 8. März ist Frauentag oder besser gesagt: feministischer Kampftag. Passend zum Datum findet die zweite Ausgabe der lit.pop in Kooperation mit Schauspiel Köln und dem c/o pop Festival statt. Die lit.pop ist das junge Kulturfestival der lit.Cologne und geht nach der ersten Auflage 2023 dieses Jahr in die zweite Runde. Das Festival beschränkt sich thematisch aber nicht nur auf Feminismus, sondern widmet sich sämtlichen Brocken der Identitätspolitik: An zwei Tagen finden Lesungen, Diskussionen und Performances zu Themen wie Sexualität, Gender, Identität, Feminismus und Politik statt.  

Bei die lit.pop 2024 sind die Bühnen hochkarätig besetzt mit jungen Autor*innen, Journalist*innen und Künstler*innen. Hier kommen fünf Highlights: 

1. Ilona Hartmann: Identitätssuche in Zeiten von Social Media

Ilona Hartmanns zweiter Roman „klarkommen“ erzählt von Langeweile, FOMO und dem Traum vom aufregenden Leben in der Großstadt.

Ilona Hartmann ist eine Meisterin darin, den Zeitgeist der Generation irgendwo zwischen Y und Z in nur wenigen Worten wiederzugeben. Ihre Gedanken teilt sie regelmäßig auf Instagram und X, die ironischen Zwei- bis Drei-Zeiler sind beliebte Share-Pics für die Instagramstory. Dieses Jahr wurde ihr zweiter Roman „klarkommen“ veröffentlicht. Dieser erzählt die Geschichte von Mounia, Leon und der Ich-Erzählerin, die trotz ihres Umzugs in die Großstadt das Gefühl haben, den anderen beim Leben zuzusehen, anstatt dabei zu sein. Bei der lit.pop spricht Hartmann mit Moderatorin Miriam Zeh über das Klarkommen in einem vollkommen durchschnittlichen Leben. 

Hartmann beschäftigt sich in ihrem Roman sensibel, schonungslos ehrlich und witzig damit, wie schwierig Erwachsenwerden in Zeiten von Social Media ist. Zwischen Overthinking, FOMO und Langeweile: Immer scheint irgendwo, irgendwer auf einer coolen Party zu sein, nur man selbst irgendwie nie. Es ist dieses Irgendwie, dass das Buch durchzieht, geprägt von Banalitätem in einem Leben, in dem nichts wirklich passieren mag.

Wir waren zu schwach für Punk und zu arrogant für den Rest. Wir waren langweilig und peinlich.

aus dem Roman „klarkommen“ von Ilona Hartmann

Obwohl die Autorin ihre 20er inzwischen hinter sich gelassen hat, wirkt ihr Blick auf die Jugend nie von Nostalgie geschönt oder vom Alter paternalistisch. Ihr Schreibstil ist ähnlich wie in ihren Tweets pointiert, manche Kapitel sind nur wenige Sätze lang. Er passt zu den Figuren und Geschichten, die – anders als in vielen Coming-of-Age Romanen – ohne viel Aufregung und Extravaganz daherkommen: „Wir waren zu schwach für Punk und zu arrogant für den Rest. Wir waren langweilig und peinlich. Wir waren nicht rau oder cool oder schön, wir waren einfach nur auch dabei“, beschreibt es die Ich-Erzählerin. 

Freitag, 08.03: 18-19 Uhr, Saal Stadtgarten

2. Sophia Fritz: Feministische Selbstsabotage durch toxische Weiblichkeit

Sophia Fritz setzt sich in ihrem Essay selbstkritisch mit dem Phänomen toxische Weiblichkeit auseinander.

Toxische Männlichkeit ist nicht nur Feminist*innen längst ein Begriff. Aber gibt es auch toxische Weiblichkeit? Im Diskurs zwischen Autorin Sophia Fritz und Moderatorin Maria Popov gehen die beiden der Frage nach gesellschaftlichen Vorstellungen von Weiblichkeit auf den Grund. Im März erscheint Fritz‘ Buch „Toxische Weiblichkeit“, welches sich kritisch mit den Selbstanforderungen weiblich gelesener Personen auseinandersetzt. Lächeln statt laut werden und Frauen als Feindinnen, anstatt als Freundinnen ansehen: Wie sabotieren sich Frauen selbst im Umgang mit ihrem Geschlecht und den damit verknüpften Verhaltensmustern? 

Der Essay setzt sich mutig und selbstkritisch mit weiblicher Identität auseinander. Es geht darum, wieso sich Frauen immer noch so oft gegenseitig Schaden: Durch toxische Weiblichkeit werden typisch weibliche Attribute und Verhaltensweisen reproduziert und somit der Feminismus sabotiert. Letztendes geht es Fritz auch um das Patriarchat und was das mit unserem Blick auf Weiblichkeit und Frauen zu tun hat. Im Diskurs bei der lit.pop 2024 reflektieren Fritz und Popov ihren eigenen Beitrag zu toxischer Weiblichkeit und wieso ein feministisches Miteinander der Ausweg sein könnte. 

Freitag, 08.03.: 18:30-19:30 Uhr, Galerie Stadtgarten

3. Yasmine M’Barek: Protest statt Zuhören

Die Journalistin und Autorin Yasmine M’Barek schreibt für die ZEIT und wurde vom „Medium Magazin“ zu den „Top 30 bis 30“-Journalisten gewählt. 2023 veröffentlichte sie ein Sachbuch zu zunehmenden Protest-Phänomenen in Deutschland. Foto: Leon Haffmanns

Brüllende Bauern, klebende Klimaretter*innen und cholerische Corona-Leugner*innen: Der Protest auf den deutschen Straßen nimmt zu. Der Ton wird rauer und die Protest-Aktionen extremer. Es scheint, als wäre die Gesellschaft aus einem Dornröschenschlaf der politischen Gleichgültigkeit erwacht. Mit dem Phänomen beschäftigt sich auch die Journalistin und Autorin Yasmine M’Barek in ihrem 2023 erschienen Essay „Protest – Über Wirksamkeit und Risiken des zivilen Ungehorsams“. Bei der lit.pop tritt sie mit Moderatorin Luisa Thomé in den Diskurs über die Entstehung und Sinnhaftigkeit von Protest. 

Protest ist ein „Fick Dich!“ Er ist impulsiv, er ist vulgär, er ist rau, er ist ehrlich.

Yasmine M’Barek in Protest – Über Wirksamkeit und Risiken des zivilen Ungehorsams

M’Barek betont dabei immer wieder, wie wichtig gegenseitiges Zuhören sei – insbesondere außerhalb der eigenen Bubble. Protestierende und auch die schweigende Masse müsse von ihrem hohen Ross der „moralischen vermeintlichen Mehrheitsmeinung“ hinuntersteigen, um in einen ehrlichen Diskurs treten zu können. Im Zentrum steht dabei neben den Protestbewegungen der Umgang der Medien mit ihnen, denn: „Eine Gesellschaft bekommt immer die Proteste, die sie verdient hat“, schreibt M’Barek in ihrem Buch. Das heißt, wenn Journalist*innen der Gesellschaft bestimmte Proteste vorenthalten, ist die logische Konsequenz, dass diese sich immer weiter radikalisieren. Nur durch differenzierten Journalismus könne schließlich ein Dialog zwischen Protestierenden und der schweigenden Mehrheit entstehen. Denn Kommunikation und gegenseitiges Zuhören, da ist sich M’Barek sicher, ist der Schlüssel zu einem demokratischen Miteinander. 

Samstag, 09.03.: 18:30-19:30 Uhr, Saal Stadtgarten

4. Ole Liebl: Ein Plädoyer für mehr Liebe in Freundschaften

Ole Liebl ist bekannt für seinen aufklärerischen Content auf Instagram und TikTok. Anders als dort widmet er sich in seinem Buch „Freunde Lieben“ vorwiegend heterosexuellen Beziehungen und Freundschaften. Foto: Privat

Liebe & Sex: Es gibt kaum Themen, die mehr Aufmerksamkeit in Literatur, Film, Musik und Medien bekommen. Auch Content-Creator und Autor Ole Liebl spricht in seinen Videos auf Instagram und TikTok über Liebe und Sex. Er klärt in wenigen Minuten über Beziehungen, Gender, Sexualität und queerfeministische Inhalte auf. In seinem im Februar 2024 erschienen Buch geht es aber weniger um romantische Liebesbeziehungen, sondern um Freundschaft. „Freunde Lieben. Die Revolte in unseren engsten Beziehungen“ entwirft eine Utopie, in der Freundschaft eine ähnliche Bedeutung beigemessen wird wie romantischen Beziehungen. Das muss Liebe und Sex nicht ausschließen: In Zeiten von Freundschaft Plus, Polyamorie und sexueller Freiheit scheinen klassische Beziehungsformen ins Wanken zu geraten. Wieso also nicht den Begriff von Freundschaft neu definieren, indem er körperliche Zärtlichkeiten und sexuelle Bedürfnisse einschließt? „Das Buch ist eine Ode an die Liebe und die Freundschaft, die mehr kann, als wir ihr zutrauen“, sagt Liebl seiner Buchvorstellung auf Instagram.  

Bei der lit.pop spricht er mit Moderatorin Maria Popov über das Potential von Freundschaft Plus. Liebl sieht sie als Anreiz für eine Revolution der traditionellen, heteronormativen Beziehungsformen mit Besitzansprüchen, Geschlechterverhältnissen und rechtlichen Verbindlichkeiten. Die Liebe und körperliche Nähe in Freundschaften könnte einen Ausweg aus den im Sexismus verwurzelten Beziehungsnormen sein und zu einem glücklicheren Miteinander in romantischen und freundschaftlichen Beziehungen führen. Für Liebl bedeutet Freundschaft Plus also nicht „Generation Beziehungsunfähig“, sondern eine neue Definition von Freundschaft, Liebe, Beziehungen und allem dazwischen. 

Samstag, 09.03.: 19-20 Uhr, Jaki Stadtgarten

5. Necati Öziri: Über Familie, Identität und Heimat in „Vatermal“

Mit seinem Debütroman „Vatermal“ schaffte es Necati Öziri auf die Shortlist des deutschen Buchpreises 2023. Obwohl der Roman autofiktional ist, distanziert sich der Autor von seinen Charakteren und ihren Erfahrungen. Er möchte Ihnen nicht seine eigene Geschichte aufdrücken. Foto: Bahar Kaygusuz

„Wie sagt man „Papa“, ohne dass ein Fragezeichen zu hören ist?“ fragt sich der Ich-Erzähler Arda in Necati Öziris Debütroman „Vatermal“. Arda hat eine Leerstelle in seiner Identität: Wer war sein Vater, den er nie kennengelernt hat? Und wer ist er, wegen seines Vaters? Als Arda auf Grund einer schweren Autoimmunerkrankung wochenlang im Krankenhaus liegt und auf den Tod wartet, arbeitet er seine Biografie in Briefen an seinen Vater auf. Dabei geht es nicht nur ums Aufwachsen ohne Vater, sondern um seine alleinerziehende Mutter, die als türkische Migrantin im hoffnungslosen Grau des Ruhrgebietes ein neues Leben anfangen musste. Auch von seiner Schwester Aylin schreibt Arda, die im Kampf gegen die überforderte Mutter von zuhause verschwand und bei einer Pflegefamilie groß wurde. Auf der Suche nach seiner Identität und der seines Vaters, stößt Arda immer wieder auf die zerbrochenen Träume migrantischen Lebens in Deutschland. 

Necati Öziri ist Theaterautor und wuchs ähnlich wie Arda als Sohn einer türkisch-stämmigen alleinerziehenden Mutter im Ruhegebiet auf. Der autofiktionale Roman „Vatermal“ basiert auf seinem Theaterstück „Get Deutsch or Die Tryin“ aus dem Jahr 2016. In seinem für den deutschen Buchpreis 2023 nominierten Debütroman erzählt Öziri sanft und wütend von einer Generation, die ohne Vater aufwuchs. In Zentrum steht dabei nicht nur die Geschichte Ardas, sondern auch weibliche Schicksale wie die seiner alleinerziehenden Mutter und rebellierenden Schwester. Es ergibt sich das Bild einer von sozialen und politischen Ungerechtigkeiten geprägten Familiengeschichte. Auf der lit.pop liest Öziri aus seinem Buch und geht mit Moderatorin Miriam Zeh in den Austausch über Identität, familiäre Wurzeln und Aufwachsen ohne Vater in einem Land zwischen Heimat und Hoffnungslosigkeit. 

Samstag, 09.03.: 19-20 Uhr, Galerie Stadtgarten

Nicht verpassen:

Neben diesen fünf Autor*innen gibt es auf der lit.pop ein umfangreiches Programm zu Themen wie Pornos, Psyche im Patriarchat und Schönheitsidealen. Die Tickets sind ausverkauft, auf Instagram und in der Tauschbörse von lit.Cologne sind aber noch Restkarten zu bekommen. Nicht verpassen solltet ihr auch die Aftershowparty vom FLINTA*-Partykollektiv Précey.

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