Porträt von Anne Müller vom Cologne Roller Derby
Anne Müller ist als One Hit Wanda für das Kölner Team Graveyard Queens auf dem Track unterwegs. Foto: Cologne Roller Derby

Derb und divers: Beim Roller Derby Köln geht’s zur Sache

Sie tragen Fishnets, Tutu und Regenbogensocken: Roller Derby ist rasend schnell und intensiv, wer die Jammerinnen überholen will, riskiert einen Bodycheck. Roller Derby ist nichts für Zartbesaitete. Und Cis-Männer sind bei den Kölner Graveyard Queens nur abseits des Tracks erlaubt. Die Derby-League Roller Derby Cologne gehört zu den erfolgreichsten in Deutschland. Selbstorganisiert und mit jeder Menge Punk-Referenzen proben junge Sportlerinnen hier den Aufstand gegen das überkommene Klischee, harter Sport wäre Männersache.

In einer Turnhalle in Köln-Ehrenfeld gehen beim Roller Derby zwei Teams à fünf Personen an den Start. Der Pfiff des Schiris gellt durch die Halle und ab geht’s. Die Spieler*innen wetzen los. Auf Rollerskates donnern alle gleichzeitig auf einer ovalen Bahn, dem Track. 

Die Mannschaft des Cologne Roller Derby
Roller Derby-Teams haben sich zum Ziel gesetzt, ein Safer Space zu sein. Cis-Männer sind hier nur eine Randerscheinung. Foto: Cologne Roller Derby

Weder Ball, noch Puck, noch Tore sind zu sehen – stattdessen ist je eine Person pro Team durch einen Stern am Helm markiert. Sie sind die sogenannten Jammer*innen. Ihre Aufgabe ist es, Punkte zu machen, indem sie so viele gegnerische Spieler*innen wie möglich überholen. Das gegnerische Team versucht, genau das zu verhindern. Vom Abdrängen bis zum Bodycheck ist einiges erlaubt; Helm, Ellenbogen-, Knie- und Handgelenkschoner sind nicht nützlich, sondern nötig: Hier geht’s zur Sache.

DIY-Gedanke beim Derby: den Sport selbst gestalten

Mit rund 1.600 aktiven Spieler*innen in Deutschland ist Roller Derby alles andere als ein Breitensport. Anne Müller ist als One Hit Wanda für das Kölner Team Graveyard Queens auf dem Track unterwegs. Abseits des Spielfeldes ist sie Co-Vorsitzende im Vorstand der Sportkommission Roller Derby Deutschland (RDD) des Deutschen Rollsport und Inline-Verbandes e.V. (DRIV): „Roller Derby macht einfach Bock – und ist so viel mehr als Sport.“

Porträt von Anne Müller von den Cologne Roller Derby
Anne Müller ist Co-Vorsitzende im Vorstand der Sportkommission Roller Derby Deutschland. Foto: Cologne Roller Derby

Vor allem der DIY-Gedanke beim Roller Derby begeistert Anne. „Als Randsportart fehlt uns der organisatorische Überbau. Deshalb managen wir Spieler*innen alles selbst. Viele von uns stehen auf dem Track, haben aber darüber hinaus noch andere Aufgaben. Entweder als Schiri, oder sie übernehmen Vorstandsarbeit, haben die Regularien im Blick, organisieren Auswärtsspiele oder moderieren bei Turnieren“, sagt die gebürtige Norddeutsche. 

Nicht ohne Stolz berichtet sie, wie die Truppe vom Cologne Roller Derby zum zehnjährigen Jubiläum 2019 ein internationales Turnier auf die Beine stellte: „Mittlerweile könnten wir vermutlich aus dem Stehgreif eine Event-Agentur gründen. Das alles schweißt natürlich auch unglaublich zusammen.“

Roller Derby in Köln ist FLINTA*

Wie wohl für viele andere Derby-Spieler*innen war auch für Anne der Film Roller Girl mit Elliot Page der Erweckungsmoment. Angefixt von dem Film, traute sie sich – damals noch in Erfurt – bei einem Probetraining des hiesigen Roller-Derby-Teams wieder auf die Rollschuhe – zum ersten Mal seit ihrer Kindheit: „Man kommt erstaunlich schnell rein. Ab Tag eins ist der Spaß am Derby bei mir dann auch immer größer geworden.“

2020 zog Anne nach Nordrhein-Westfalen und schloss sich der Roller Derby League in Köln an. Hier gibt es zwei Teams: „Die Graveyard Queens sind unser Travel-Team, das zu Auswärtsspielen fährt und in der Bundesliga spielt. Im Recreational Team geht’s darum, völlig ohne Erfolgsdruck Spaß an der Sache zu haben. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln und sich auf ungewohnten Positionen auszuprobieren“, sagt Anne.

Grundsätzlich dürfen bei der Roller Derby League in Köln alle mitmachen. Die Graveyard Queens sind allerdings ein FLINTA*-Team. Das heißt, dass dort ausschließlich Frauen, Lesben, inter, trans und agender Personen auf dem Track stehen. „Es ist historisch bedingt, dass in vielen Teams FLINTA* aktiv spielen, während Männer neben dem Track dabei sind. Sogar die Bundesliga ist per Regelwerk FLINTA*. An dem Wettbewerb dürfen keine Cis-Männer teilnehmen. Es gibt aber auch All-gender-Teams in Deutschland.“

Ein Sport, in dem Cis-Männer nur eine Randerscheinung sind, das irritiert viele, weiß die Sportlerin. „Dahinter steckt auch eine politische Botschaft. In den meisten Sportarten spielen FLINTA* eine untergeordnete Rolle. Wir reden von Fußball und Frauenfußball, von Handball und Frauenhandball … bei Derby ist das eben mal anders,“ sagt Anne: „Viele Derby-Teams wollen ein Safer Space sein. Wir arbeiten gemeinsam daran, eine positive Sportkultur aufzubauen.“

Roller Derby hat seinen Ursprung in Chicago, Style vom Punk

Seinen Anfang nahm der Sport in den 1930ern und 1940ern. Das erste Roller-Derby-Rennen fand in Chicago statt. Zu jener Zeit ging es darum, möglichst lange durchzuhalten. „Damals war sehr viel Show dabei, so ähnlich wie wir es heute noch vom Wrestling kennen. Gegnerinnen wurden theatralisch zu Fall gebracht“, sagt Anne.

Das moderne Roller Derby kam sehr viel später auf: Anfang der 2000er in Texas. Fest verankert war der neue Derby-Sport in der damaligen queer-feministischen Punkszene – was bis heute das Selbstverständnis des Sports prägt, auch in Deutschland. Hierzulande wird seit 2004 Derby gespielt. Seit 2009 gibt es die Roller Derby League in Köln.

Riot Girl, Self-Expression, Empowerment, DIY: So lauten die ideologischen Konzepte, mit denen Roller Derby verbunden ist, und die sich auf vielen Ebenen des Sports niederschlagen, etwa in den Outfits der Spieler*innen: „Es gibt zwar ein paar Vorgaben, zur Trikotfarbe und zur -beschriftung, aber Derby lässt viel Freiheit und Raum für Individualität. Auffälliges Make-up, Glitzer, Strumpfhosen und Regenbogensocken sind keine Seltenheit, manchmal noch Fishnets und Tutu.“ Auch ihren Derby-Name und die Rückennummer können die Spieler*innen selbst wählen. Anne trägt die 0815.

Selbstkritik üben und besser werden

Niemanden von Roller Derby auszuschließen, ist dem Kölner Team sehr wichtig. Nichtsdestotrotz sagt Anne selbstkritisch: „Uns ist vollkommen bewusst, dass es Hürden gibt, die Personen davon abhalten, den Sport auszuüben: Derby ist ein Equipment-Sport. Allein für die Grundausrüstung ist man gut 250 Euro los und die Fahrten zu den Auswärtsspielen kann auch nicht jede*r aufbringen.“ Dass Derby ein Vollkontaktsport ist und bestimmte körperliche Fähigkeiten abverlangt, kann ebenfalls ein Hindernis sein. Anne betont: „Wir versuchen, besser zu werden und Hürden abzubauen, indem wir die Community um den Track herum fördern.“

Nachdem die Corona-Pandemie Roller Derby in Deutschland in einen längeren Tiefschlaf versetzt hatte, kommt in diesem Jahr endlich wieder Leben in die Bude. Und es läuft gut für die Graveyard Queens aus Köln. Seit Start der neuen Derby-Saison haben die Spieler*innen erste Erfolge und neue Erfahrungen gesammelt. Und um letztgenanntes geht es vor allem, wenn die die Queens des Roller Derby Cologne über den Track brettern.

Bock auf Derby? Wer dabei sein will, kann sich über Instagram oder per E-Mail (info@colognerollerderby.com) melden. Die Kölner Derby-Teams freuen sich immer über Zuwachs.

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