Ganz großes Kino? Das kann man in Köln unter anderem beim Film Festival Cologne erleben. Das Publikumsfestival ist ein echter Höhepunkt für Cineasten und Filmfans. Was dort über die Leinwand flimmert, ist aktuelle Filmkunst, die relevant ist. Vom 19. bis 26. Oktober findet das „einzige Filmfestival für den popkulturellen Zeitgeist“ zum 33. Mal statt. Neben Filmen internationaler Regiegrößen gibt es Produktionen der regionalen Independent-Filmszene zu sehen. Als einer der Favoriten für den Filmpreis NRW gilt Katharina Hubers Spielfilm-Debüt „Ein schöner Ort“. Wir haben mit der Kölner Produzentin und Regisseurin über das Festival, das Filmemachen in Köln und natürlich über ihren Film gesprochen.
Interview mit Katharina Huber:
Hallo Katharina, dein Film „Ein schöner Ort“ hat im August auf dem Filmfestival Locarno Premiere gefeiert und gleich den Nachwuchs-Preis für die beste Regie gewonnen. Erst vor ein paar Tagen gab es den Hamburger Produzentenpreis. Jetzt startet er in Köln. Hast du mit diesem Erfolg gerechnet?
Katharina Huber: Nein. Ich habe mich darauf konzentriert, dass das überhaupt passiert, dass dieser Film stattfindet, dass er eine Form bekommt. Natürlich in der Hoffnung, dass Menschen ihn sehen und ihm was abgewinnen können. Aber es hätte auch scheitern können. In dem Moment, als die Einladung aus Locarno kam, war mein persönliches Traumziel und ein engagiertes Publikum schon erreicht. Die ganzen Preise sind schön, aber das ist eher ein Bonus.
Du wohnst und arbeitest in Köln. Das Film Festival Cologne ist praktisch ein Heimspiel. Welche Bedeutung hat es für dich und deinen Film?
Locarno ist toll, keine Frage. Aber hier in Köln zu zeigen, ist nochmal speziell. Ich fühle mich seit dem Studium der Stadt immer mehr verbunden. Hier sind Freunde, Bekannte, Leute, die mich kennen, die den Prozess kennen, die das Projekt schon seit langem kennen. Der Film ist hier entstanden, wir haben im Umland gedreht.
Wirst du Zeit haben, andere Festival-Filme zu sehen? Was sind deine Favoriten?
Na klar, das ist ja ein Luxus, dass das Festival hier zu Hause stattfindet und ich die ganze Zeit dabei sein kann. Ich habe auf jeden Fall vor, einige Filme zu sehen, zum Beispiel Youth, Eureka oder Vienna Calling sind Filme, die mich interessieren. Und noch ein paar andere Dokumentarfilme.
Lass uns über deinen Film sprechen. Wie hast du deine Geschichte gefunden und entwickelt?
Das war ein langer Prozess. Vor vielen Jahren hatte ich die ersten Ideen zu einem Grundsetting, da entstand so ein Gefühl des Unbehagens, einer „systematischen Paralyse“. Es ist auffällig, wie man im Alltag – vom Kleinsten bis zu globalen Ereignissen – immer wieder feststellt: Etwas ist so nicht in Ordnung. Etwas stört, ist vielleicht unbequem, ungesund, zerstörerisch, birgt die Gefahr, dass wir uns alle vor die Wand fahren oder es tut uns persönlich einfach nicht gut. Niemand will das und selten macht jemand was. Und wir nehmen diese Dinge hin. Entweder aus irgendeinem Trott heraus, aus Stolz, Angst vor Veränderung oder schlicht aus Ignoranz oder auch Faulheit.
Der „schöne Ort“ in deinem Film ist keine dörfliche Idylle. Die Hühner sind verdächtig, die Beziehungen brüchig, die Geschäfte zwielichtig. Menschen verschwinden einfach, niemand weiß wohin. Aufgeregte Radiomeldungen künden von einer bevorstehenden Besiedelung des Weltalls. „Aber da draußen ist nichts“, sagt jemand. Was ist das für ein Ort?
(lacht) Es ist wirklich so eine Art Märchen geworden. Tatsächlich weiß man nicht, wo und wann es stattfindet. Mir war wichtig, einen abstrakten Raum zu finden und zu schaffen. Dieses Dorf und diese Gemeinschaft sind konkret und allgemein zugleich, quasi eine Versuchsanordnung. Die Figuren gehen nicht raus, obwohl die Wege da sind. Da sind Zäune, aber die sind alle kaputt, man kann über sie steigen. Es gibt Straßen. Trotzdem hängen sie da fest. Das ist auch eine mentale Blockade. Sie konservieren sich selbst, bis sie faulen.
Es muss etwas passieren. Aber was? Vielleicht alles in die Luft sprengen? Der Konflikt im Film wirkt seltsam vertraut und allgegenwärtig. Was ist los mit Margarita und Güte, den beiden Hauptdarstellerinnen?
Da sind viele Fragen. Was tun? Gehen sie weg? Bleiben sie, und wenn ja, was machen sie? Können sie die Dinge ändern? Wie? Bei der Frage des Weggehens steht ein großes Aber im Raum, denn „da draußen ist ja nichts“. Das ist auf die Rakete bezogen, aber es betrifft auch den Gedanken, na gut, ich verlasse jetzt meine Umgebung, aber letztendlich macht es vielleicht keinen Unterschied, ich nehme mich selbst ja immer mit.
Endzeitliches Dorf-Poem, Anti-Heimatfilm, wunderbar suggestives Stimmungsbild, apokalyptischer Countdown – das sind nur einige der Versuche, deinen Film zu beschreiben und irgendwo einzuordnen. Er scheint sich dem zu entziehen. Welche Rolle spielt die Radiostimme, die vom Start der Rakete berichtet?
(lacht) Nach Locarno kam sogar der Begriff Science-Fiction auf. Das fand ich gut. Es kommt schließlich eine Rakete vor, wenn auch unsichtbar. Wenn man den Film einreicht, muss man das Genre angeben. Ich habe immer Komödie angekreuzt, im Katalog stand dann trotzdem Drama. Jetzt mache ich mein Kreuz bei Science-Fiction. Denn sie ist ja konkret, die Rakete gibt es da draußen. Sie verkörpert Fortschritt, Überwindung der Grenzen, diesen ideellen Raum, wo man feststellt, dass man als Mensch zu Unmöglichem fähig ist. Also potenziell. Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage.
Die Radiostimme reflektiert, wie wir heute leben, mit diesen ganzen Kanälen, die wir konsumieren. Hören, sehen, lesen. So entsteht für uns ja ein Weltbild oder ´ne Meinung, oder? Wir radikalisieren uns selbst. Für mich war das Radio eine Möglichkeit, Gedanken und Inhalte mit reinzubringen, ohne dass die Protagonistinnen diese aussprechen müssen.
Du scheinst kein Fan von allzu offensichtlichen Wahrheiten oder fertigen Lösungen zu sein. Der Film berührt, gibt aber keine Antworten. Am Ende bleibt vieles offen. Warum?
Ein sehr wichtiger Punkt. Nein, ich habe keine konkrete Botschaft, keine Aussage, Agenda oder sowas. Ich habe einfach selbst keine Antwort. Geduld und Bildung, miteinander sprechen, sich bemühen und wach sein vielleicht. Ich glaube an den geistigen Fortschritt der Menschheit, auch wenn man das Gefühl hat – aktuell sehr verstärkt – wir werden wieder ins Mittelalter zurückgeworfen. Ich denke, es geht immer zwei Schritte nach vorne und einen zurück. Oder muss man alles niedermachen? Wie diese Stimme im Film sagt: „Jagd endlich alles in die Luft. Worauf wartet ihr noch?“ Ich weiß es nicht. Ich finde es auch schwierig, sich anzumaßen, es zu wissen. Ich bin ja auch nur ein Konstrukt von den Dingen, die ich in irgendeiner Form aufgenommen habe. Die wenigsten Menschen schaffen es, eigene, originelle Gedanken und Ideen auszuformulieren. Deswegen schlage ich da was vor. Ich stelle etwas in den Raum und schaffe Möglichkeiten, anzudocken, ins Gespräch zu treten.
Mich interessieren diese offenen Sachen auch als filmische oder künstlerische Form. Heutzutage haben wir schon so viel Narration, so viel Story und Geschichten, noch mehr seit es diesen Serienboom gibt, da hat man Botschaften für jedes Thema und Interesse. Also ich mag Geschichten, ich gucke mir gut geschriebene, spannende Sachen gerne an, aber ich glaube, da gibt es Leute, die das einfach sehr gut machen. Ich sehe meine Aufgabe in etwas anderem.
Du hast in Köln studiert, bist dann nach London gegangen, um an den Rhein zurückzukommen. Wie erlebst du die Stadt, welche Verbundenheit hast du hier? Auf welche Netzwerke, welche Infrastruktur kannst du hier als Filmemacherin bauen?
Ich lebe seit 2005 in Köln und fühle mich wirklich sehr wohl. Es hat ein bisschen gedauert, aber inzwischen ist die Stadt wie eine gute Freundin. Für mich ist sie eine gute Mischung aus Urbanität und Ruhe. Man kann gut arbeiten. Dann ist man schnell irgendwo draußen in der Natur, zum Beispiel da, wo wir gedreht haben. Das kulturelle Angebot ist gut. Klar geht es immer besser, und größer, und wilder – aber es ist einiges los. ich mag auch das Gefühl, dass es hier schon viel Geschichte gibt, Die Stadt hat einiges durchgemacht. Und der Fluss macht viel aus. Ich fahre immer gerne über die Brücken.
Zum Schluss nochmal zurück zum Film Festival Cologne. Filmfestival – das heißt auch Promis, Partys, Preise. Wie nimmst du daran teil? In Bars, auf Party: Wo trifft man dich?
Ja, ich mag es, auf Festivals rauszugehen. Gerne in Bars, wo man gut und lange reden kann und dann auch gerne, bis alle raus müssen. Es ist eine gute Möglichkeit, sich mit Leuten zu verbinden, Gleichgesinnte zu treffen. Weil es nur eine Woche ist, versuche ich viel mitzunehmen. Vieles funktioniert gleich besser, wenn man mal gemeinsam ein Gläschen (auch Limo) trinkt. Treffen kann man mich aber in diesem Fall auch gut im Kino.
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