Streetfood Festival in Köln. Foto: © Paul Gaertner
Streetfood Festival in Köln. Foto: © Paul Gaertner

Von Streetfood und Veedel-Kolorit: eine kölsche Erfolgsgeschichte

Till Riekenbrauk ist in der Gastro-Szene Kölns eine echte Größe. Über sein Brauhaus, Streetfood und Nachhaltigkeit - der Kölner im Porträt.

Till Riekenbrauk hat das Gastronomie-Gen im Blut. In Köln gilt er als Inkubator  – ein vor Ideen und Visionen sprudelnder Brutkasten für Essens- und Gastgeber-Trends. Der kölsche Jung ist dem kulinarischen Pulsschlag seiner Stadt immer ganz nah. Doch damit nicht genug  – denn erst außerhalb des Tellerrandes wird es so richtig spannend. Deswegen frönt Riekenbrauk immer wieder auch seinem Pioniergeist: 2014 hat er Deutschlands erstes Street Food Festival initiiert und in Köln auf den Weg gebracht. Der Impuls dafür kam von den Machern der Berliner Markthalle 9, die mit ihren Tuesday-Street Food-Abenden dem Begriff Fast Food zuvor ein neues, multinationales Image verpasst hatten.

Riekenbrauk hat das Konzept wiederum ausgeweitet: Mit 30 Veranstaltungen im Jahr und 220 Veranstaltungen insgesamt tourt er seit 2014 durch die Städte der Republik. „Über die Festivals konnten sich die kreativen Soloanbieter*innen einem breiten Publikum präsentieren – ohne großen Aufwand und hohe Kosten. Die Besucher*innen bekamen Hochwertiges aus aller Welt auf die Hand. Daraus haben sich die Good-Fast-Food-Restaurants, Qualitätsimbisse oder Bio-Burgerläden mit Vegi-Optionen entwickelt“, so der Unternehmer. Street-Food boomt, auf nahezu jedem Rummel und Flohmarkt locken die bunten Stände mit authentischer Küche. Der inflationäre Gebrauch des Begriffs hat dem Image von Street-Food allerdings nicht nur gut getan, denn oftmals wurde damit fastfoodähnliche, schlechte Qualität verbunden. Aber die Menschen wissen das heute viel besser zu differenzieren.

Wo Till Riekenbrauk draufsteht, kommen feinste kulinarische Kreationen auf den Tisch. Foto: Luisa Zeltner

Deutschlands erstes stationäres Pop-up

Die Festivals waren für Riekenbrauk gleichzeitig wie eine Übungsmanege. Nach einem Jahr verpasste er dem Konzept zusammen mit seinem Partner Vincent Schmidt nochmal einen neuen Twist. „Viele Standbetreiber hatten geniale Konzepte, aber keinen realistischen Business-Plan. Das haben wir weitergedacht“, so Riekenbrauk. Als Plattformgeber gründeten die beiden Vollblut-Gastronomen mit dem Laden ein das erste stationäre Pop-up Deutschlands. „Wir wurden zu Gastgebern für Gastgeber*innen“. Die Idee dahinter: Restaurant-Sharing. Unerfahrene Gastgeber*innen durften zwei Wochen lang ein temporäres Restaurant bespielen. Die Idee kam gut an – in über fünf Jahren hatten die beiden Hosts punktgenau 100 angehende Gastronom*innen zu Gast. Für die jungen Unternehmer*innen die Härteprobe. Hier zeigte sich gnadenlos, ob sie den Weg in die Gastrowelt weitergehen oder abbrechen würden.

Im Laden ein lernten die aufstrebenden Gastronom*innen auch viel über Kommunikation, gute Personalführung und ein vernünftiges Dienstplanmosaik – das A und O einer guten Gastgeber-Kultur. Denn das ziehe sich später durch das Gesamtbild, strahle nach außen und beuge sogar Personalmangel vor. „Obwohl wir das Laden ein 2020 geschlossen haben, halte ich mit den meisten Gastronom*innen noch Kontakt. Fast alle Läden habe ich mir schon angeschaut, viele davon haben sich bestens etabliert“, so Riekenbrauk. Und so ganz ohne Politik geht es auch hier nicht: Nur mit Unterstützung, zum Beispiel durch die IHK, könne so ein Konzept langfristig bestehen. „Realitätsnäher kann man sich nicht vorbereiten. Das ist besser als jedes Seminar“, sagt Riekenbrauk.

„Profillosigkeit hat keine Zukunft mehr“

Trotz aller Hürden ermutigt er junge Gastronom*innen, weiterhin neue Restaurants zu eröffnen. Das sei zwar hart, aber mit einer ordentlichen Portion Optimismus und dem richtigen Support gäbe es gute Chancen. Dafür hat er vor zehn Jahren mit seinem Wegbegleiter Vincent Schmidt die Beratungsagentur Newfood Love gegründet. Als kulinarischer Vordenker bündelt er dort die Essenz seiner Erfahrungen und bietet Food Start-Ups, Gründer*innen und etablierten Gastronom*innen konzeptionelle Unterstützung für Catering, Events oder Raumdesign an. Gastgeber*innen sollten realistisch planen, sich aber vor allem mit ihrer Arbeit identifizieren. „Für Orte mit Seele, die uns einerseits geschmacklich überzeugen und gleichzeitig nachbarschaftliche Begegnungsräume sind, setzen wir gerne unseren Hirnschmalz ein. Gäste belohnen Konzepte mit Pfiff und Kreativität, aber vor allem solche mit Qualität. Profillosigkeit und Fertiggerichte – Konvenienz – haben definitiv keine Zukunft mehr“, resümiert der Berater.

Auf Zukunftskurs mit Wertschätzung und Nachhaltigkeit

Als Vorstandsmitglied der 2020 gegründeten IG – Kölner Gastro e.V. baut er mittlerweile auch institutionelle Brücken zwischen der Interessengemeinschaft der Kölner Gastronomiebetriebe und der Stadt Köln. Hinzu komme, dass Gäst*innen heutzutage ganz andere Ansprüche in Sachen Nachhaltigkeit stellen. Die neue Generation Restaurantbesucher*innen sei bereit, für Qualität und Handwerk – Nicht-Konvenienz – zu bezahlen. Regionale Produkte mit Herkunfts-Informationen seien bei modernen Gastronom*innen Usus. Riekenbrauk ist überzeugt: „Es geht nur mit Wertschätzung. Alles  – sogar Konvenienz – wird teurer, der Mittelstand wird langfristig wegbrechen“. Das Bewusstsein dafür schaffen, das möchte er mit der IG – Kölner Gastro e.V. in Zukunft.

Till Riekenbrauk ist in der kölschen Gastro-Szene eine echte Größe. Foto: Johann Schäfer

Mächtig stolz ist Till Riekenbrauk auf den Green Gastro Guide. Der von der Stadt Köln geförderte „digitale Nachhaltigkeitsleitfaden für die Gastronomie“ beantwortet überregional alle Fragen rund um ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Die sieben Cluster lauten: „Energie, Wasser, Müll, Take-away, Essen und Trinken, Kommunikation und Smart Gastro“. Letzteres zeigt, dass Digitalisierung und KI auch vor der Gastronomie keinen Halt macht. Für die Gastro-Zunft ist der Guide ein grüner Vorreiter. Auch dafür, dass Ernährungsbildung ein Schulfach wird, möchte der Visionär – mittlerweile selbst Vater von zwei Kindern – sich stark machen.

Veedel-Kolorit im Brauhaus Johann Schäfer

Seine geballte Erfahrung hat Till Riekenbrauk mittlerweile auch ins eigene Gasthaus-Konzept gesteckt: In seinem Lieblingsveedel, der Kölner Südstadt, betreibt er seit 2017 – in zeitgemäßem „Blick-nach-vorn-und-zurück“ Konzept – sein eigenes Brauhaus. Das kölsche Ur-Veedel hat sich erst in den letzten zehn Jahren zu einem neuen Restaurant und Ausgeh-Viertel entwickelt. Für Riekenbrauk eine perfekte Kollage: Sein Brauhaus Johann Schäfer mit Café und Biergarten liegt zwischen Rheinauhafen und Südbrücke und läuft wie Sahne. „Wir sind die einzigen am ziemlich verbauten und eher touristisch frequentierten Rheinufer. Sonst kann man sich hier höchstens mit ´nem Kioskbier hinsetzen,“ so der Brauhausbetreiber. Gleich nebenan bespielen die Jungs von Los Carnales seine Taquéria mit eigener Außengastronomie. Die waren übrigens eine seiner ersten Street-Food Pop-Ups.

Im Johann Schäfer trifft urkölsche Brauhausatmosphäre auf moderne Essenskreationen. Foto: Johann Schäfer

„Die Menschen brauchen wieder die Herde und einen warmen, sozialen Ort mit Veedel-Kolorit. Es gibt in der Südstadt Brauhäuser seit über 100 Jahren, die vom Gastro-Habitus eher traditionell sind. Wir sind mit unserer Brauerei ganz bewusst in eine ehemalige Spedition der 20er Jahre  – ohne Gastrotradition  – eingezogen. Länderküchen und Fusionen im Veedel sind zwar spannend, aber viele Geschichten sind bereits erzählt“, so Riekenbrauck.

Der setzt zusammen mit Koch Sven Kloppenburg im Brauhaus auf Handwerk und Regionalität – mit besonders viel Jemös (für alle Nicht-Kölner*innen: Gemüse). Vieles findet sich vegetarisch und vegan, statt der klassischen, vorhersehbaren Brauhaus-Teller mit Fleisch und Beilage. Die Nachfrage danach sei seit der Eröffnung deutlich gestiegen. „Bei uns wird vom Ketchup über die Gewürzmischungen, Brot oder Metthäppchen aus Selbstgepökeltem alles selbst gemacht. Beim Einkauf haben wir ein gutes regionales Lieferanten-Netzwerk bis maximal hoch nach Bergisch Gladbach und bis zur Eifel.“ Gemüse und Fleisch stammen im Brauhaus Johann Schäfer vom Bauern aus der Region  – aus artgerechter Tierhaltung. Neben der hohen Produktqualität stehen typische Brauhausgerichte im neuen Gewand auf der Karte. Bei den Schäfers wird die stadtbekannte Signature-Bierbratwurst sogar im eigenen Haus- und Hof-Südstadtpils eingelegt. Das hätten die Pseudotraditionellen zuerst in kleiner Auflage im Haus selbst gebraut, erzählt Riekenbrauk. Zur Hausmarke, die mittlerweile in der Eifel gebraut wird, gesellt sich ein untergäriges, unfiltriertes und dezent kaltgehopftes Helles– zwei echte Dauerbrenner im Johann Schäfer. Und das Schöne sei  – und da ist Till Riekenbrauk wieder Zugpferd und Pionier  – die Hundertjährigen ziehen mit! 

Mit seinem Händchen für Orte und dem Gastro-Gen bringt Till Riekenbrauk Food-Trends und urkölsche Veedel auf moderne kreative Art zusammen. Jedes seiner Restaurants, Food-Konzepte oder Initiativen trägt seine ganz eigene Handschrift. Und die steht für viel mehr als bloßen Genuss. Was der Gastro-Pionier auch anfasst: identitätsstiftende Bedeutung für die kölsche kulinarische Kultur ist vorprogrammiert.

Johann Schäfer Brauhaus
Elsaßstraße 6
50677 Köln
Telefon: (+49) 0221/16860975

Johann Schäfer Brauhaus
Mo – Fr 12 – 22 Uhr
Sa & So 10 – 22 Uhr
Reservierungen bis 20 Uhr
Küche bis 21:30 Uhr

Johann Schäfer Café
täglich ab 17 Uhr wird die Brauhaus-Karte serviert
Reservierungen bis 21 Uhr
Küche bis 21:30 Uhr

Biergarten Johann Schäfer
wetterabhängig
Mo – Fr: ab 15 Uhr
Sa & So: ab 12 Uhr

TAQUERÍA Los Carnales
Agrippinawerft 30
50678 Köln
Öffnungszeiten: Täglich ab 12 Uhr

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