Die Tradition ist das Morgen: Das c/o Pop Festival wird 20 Jahre alt

Köln war Pop, Köln ist Pop und Köln wird immer Pop sein. Punkt. Dass die Dommetropole bis heute völlig zurecht die Pophauptstadt ist, liegt vor allem am Festival c/o pop. Hier begann der Aufstieg von Bands wie AnnenMayKantereit und Roosevelt. José González brillierte auf einem Rhein-Ausflugsschiff, die französischen Indie-Helden Phoenix luden auf dem Parkhausdeck des Messegeländes zum Tanz. Die bayerischen Elektro-Frickler The Notwist verzauberten ihr Publikum in der Kölner Philharmonie.

Berlin, who? – Köln ist die Pophauptstadt

Auf mehr als 30 Bühnen gibt es dieses Jahr eine Menge zu entdecken: Pop-Künstler*innen treffen auf ein Klassik-Orchester, mitten auf der Venloer Straße finden spontane Hochzeiten á la Las Vegas statt. Auf den großen Bühnen kommt deutscher Rap-Nachwuchs zu Wort und Stripper*innen-Performances schillern in dunklen Clubkellern. Soviel schon mal zum Programm.

Über Jahrzehnte war Köln die Musikhauptstadt der Republik. Den Ruf begründete Elektronik-Pionier Karlheinz Stockhausen, der hier die Neue Musik erfand. Dann kam die Kölner Band Can, die die Grenze zwischen Avantgarde und Pop einriss. Wolf Biermann und Keith Jarrett schrieben mit ihren Köln-Konzerten in den 1970ern Musikgeschichte. Ein Jahrzehnt später stürmten Bap, Wolf Maahn und Purple Schulz die Charts. Dann kamen RTL, VIVA, das Plattenlabel EMI, die Musikzeitschriften SPEX und INTRO sowie die Branchenmesse Popkomm und machten die Domstadt endgültig zur Medien- und Musikindustriemetropole. Das blieb sie, bis in den frühen 2000ern plötzlich alle meinten, sie müssten nach Berlin, auch so ein Irrtum.

Zäsur, Umzug, Neuanfang: Wo Gentrifizierung und soziale Unwuchten aufeinandercrashen

Als der Kulturmanager Norbert Oberhaus und der SPEX-Redakteur Ralph Christoph 2004 die c/o pop aus der Taufe heben, geht es um nichts Geringeres, als die Popstadt Köln neu zu erfinden. Dafür platzieren sie ihr neues Festival zunächst bewusst an vernachlässigten Orte entlang des Rheins, bevor sie später ins hippe Belgische Viertel mit dem Stadtgarten als Hauptquartier ziehen. Von dort aus entwickelt sich die c/o pop von einem elektronischen Szene-Festival zu einem genreoffenen, immersiven Popkulturevent mit Konzerten und einem umfassenden Rahmenprogramm aus interaktiven Events, digitalen Performances und Diskussionen auf der c/o pop Convention.

2019 kommt die nächste Zäsur: Das Festival zieht aus dem Zentrum nach Ehrenfeld. Einerseits, weil sich im gentrifizierten Belgischen Viertel keine bespielbaren Venues mehr finden lassen und andererseits, weil es die Macher*innen reizt, ein Festival genau dort zu veranstalten, wo kreatives Schaffen auf unerschlossene, urbane Industriebrachen trifft, wo Gentrifizierungskonflikte und soziale Unwuchten aufeinandercrashen. Ehrenfeld ist ein Stadtteil, der brizzelt. Damit arbeitet auch der Kölner Produzent und Songschreiber Martin Bechler, der mit seinem Projekt Fortuna Ehrenfeld seit ein paar Jahren die Rotzigkeit im Indie­Pop reanimiert.

Überall da, wo Reibung ist und wo Probleme sind und wo Dinge anecken und sich aneinanderstoßen und sich dann doch wieder vertragen, ist Stoff für Lieder.

Martin Bechler, Produzent und Songschreiber

Gegenwart trifft Popgeschichte

Seit dem Umzug in den Kölner Westen stehen zwar weniger Stars, dafür aber mehr Newcomer-Acts auf den Kölner Bühnen. Das popkulturelle Rahmenprogramm wächst mit Yoga-Workshops, Tattoo-Events, Rollschuhdisco, Film-Premieren und Fotoausstellungen. Schon früh legen Oberhaus und Christoph viel Wert auf die ausgeglichene Balance der Geschlechter, die Sichtbarkeit von LGBTQ+ Kunstschaffenden und People of Color und versuchen, im Rahmen des Festivals Safer Spaces ohne Diskriminierung zu schaffen. Die c/o pop sieht sich als progressiver Raum, um Fragen nach Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit kulturell neu zu verhandeln.

Am Rhein trifft die Musik der Gegenwart auf Popgeschichte, das ist eine Tradition, die man hier gerne pflegt: Das zeigt zum Beispiel der Holger-Czukay-Preis für Popmusik der Stadt Köln, mit dem seit 2019 jährlich Menschen geehrt werden, die sich mit herausragenden Leistungen um die Popmusikszene der Stadt verdient gemacht haben. Und was das konkret bedeutet, können Popexegeten im legendären Studio für Elektronische Musik erleben, das auf dem Heliosgelände in Ehrenfeld in Kürze wieder in Betrieb genommen wird. Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez und John Cage sind nur ein paar Namen, die mit ihrer experimentellen Musikkunst die Avantgarden für immer in die Kölner Pop-DNA eingeschrieben haben.

Highlights der c/o Pop zum Jubiläum

• Ski Aggu: der spannendste Deutschrap Newcomer des Jahres, spielt am Donnerstag 27.4. in der Live Music Hall 
• Das Duo Blumengarten aus Velbert (bei Essen) klingt wie Pop in Falsett – berührend. So etwas hat es noch nicht gegeben. Samstag 29.4. Club Bahnhof Ehrenfeld 
• Die Comedienne Parshad: ist immer gut für eine Comedy Auszeit mitten im Festivaltrubel, Donnerstag 27.4. Bürgerzentrum Ehrenfeld 
• Black & Brown Queer Cabaret: Tanz, Performance, Gesang und Musik der PoC und Queer Community, Freitag 28.4. Bürgerzentrum Ehrenfeld 
• Crucchi Gang: So wird aus deutschem Liedgut Italopop. Mit illustren Gästen der deutschen Popkultur – von Element of Crime bis Von Wegen Lisbeth, Mittwoch 26.4. Sartory Säle

Geheimtipps des c/o Pop-Teams

Beim diesjährigen c/o pop dröhnt der Sound der Stadt in seiner gesamten Bandbreite: Da ist der Reggae von Gentleman, der fragile Pop der Multiinstrumentalistin Jenny Thiele, das Musikprojekt Keshavara, in dem sich Musik, Schauspiel und Tanz verweben. Und es gibt den globalen Pop der popNRW-Preisträgerin Donia Touglo. „Das Besondere an Köln ist, dass so viel nebeneinander passieren und entstehen kann“, sagt Suzie Kerstgens voFesn der Kölner Elektroband Klee, „dass es keine Zäune gibt zwischen den Gruppen oder den Genres.“ Weder abgeschrieben noch auserzählt; die Popgeschichte der Domstadt hat den Weg in die Gegenwart gefunden. Und wer das nachhören will, findet auf der 20. c/o pop vom 26. bis zum 30. April 2023 schonmal einen ganz guten und liebevoll kuratierten Ausgangspunkt.

• PANTHA – Deutschpop aus Mannheim
• Siegfried & Joy – füllen normalerweise die Köln Arena mit Magie und Illusionen
• Kids Return – französisches Pop-Duo – Minimalismus trifft auf Melancholie
• Nadine Breaty – eine Autorin; Podcasterin und Influencerin, die Mut macht. Nadines Themen: Selbstakzeptanz, Mobbing und seelische Gesundheit

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Das vollständige Programm unter: https://c-o-pop.de/