Hinter der Theke des King Georg in Köln kleben so viele Plattencover, dass sich die grüne Tapete dahinter nur mehr erahnen lässt: Duke Ellington at Newport, Hobo Flats von Jimmy Smith, Sarah Vaughan with Clifford Brown und manch andere Legende ziert die Wand. Es sind die Lieblingsplatten des Inhabers Jochen Axer, wie Jan Vater, seines Zeichens Geschäftsführer des geschichtsträchtigen Clubs, erklärt. „Jochen kam mit einem Kofferraum voller Farbkopien seiner Lieblingscover hier an und hat angefangen zu dekorieren.“
Als Axer das King Georg 2018 kaufte, wollte er einen Club schaffen, der ein breites Publikum für das begeistert, was ihm selbst am Herzen liegt: richtig guter Jazz. Der Kölner Unternehmer gründete dafür die Milestones GmbH als Betreibergesellschaft. Er selbst hält sich lieber im Hintergrund, überlässt das operative Geschäft Jan Vater und seinem künstlerischen Leiter Martin Sasse.
Kontakte in die internationale Jazzszene
Letzterer ist in der Jazzwelt kein Unbekannter. Derzeit tourt er in wechselnden Combos durch Deutschland und die Schweiz, pflegt aber auch weit über Europa hinaus enge Kontakte in die internationale Jazz-Szene. In seinem preisgekrönten Dokumentationsfilm „Blue – Magical Moments in Jazz“ stellte Sasse im vergangenen Jahr Künstler aus Deutschland, Japan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA vor. Dass auch Jochen Axer zu Sasses Netzwerk gehört, prädestinierte ihn für die Rolle des künstlerischen Leiters. Vom Netzwerk Sasses wiederum profitiert das Konzertprogramm des King Georg in Köln nun immens. Für einen Laden, der nur 120 Besucher fasst, ist das Aufgebot beeindruckend: Internationale Größen wie Kahil El Zabar, Judy Carmichael und Alex Harding gaben sich im King Georg bereits die Ehre.
„Man merkt, dass es da jemand ernst meint“
Jan Vater, Geschäftsführer des King Georg über den Eigentümer Jochen Axer
Vater gehörte schon vor dem Eigentümerwechsel zur Stammbesetzung des Clubs. Unter dem ehemaligen Inhaber André Sauer bestimmten allerdings seit 2008 Indiepop und -rock das musikalische Programm. „Ich hatte mit Jazz vorher tatsächlich nicht viel am Hut“, gibt Vater freimütig zu. Die neue Richtung, die das King Georg genommen habe, gefalle ihm allerdings sehr: „Man merkt einfach, dass es da jemand durch und durch ernst meint.“
Damit ist keineswegs jener Ernst gemeint, der seit jeher das Klischee des Jazzfans bestimmt: Ältere weiße Herrschaften mit Whiskeygläsern in der Hand, die sich als Mitglieder einer exklusiven Kennergemeinschaft empfinden. Im Gegenteil: Das King Georg Köln will explizit Jazz auf die Bühne bringen, den jede*r gern hört. Durch Martin Sasse hat das King Georg auch intensiven Kontakt zur nahegelegenen Musikhochschule aufgebaut, regelmäßig treten Studierende in der Konzertreihe „Young Talents“ auf. Und auch an den übrigen Wochentagen bewegt sich der Altersdurchschnitt des Konzertpublikums eher bei um die 30, wie Jan Vater betont. „Zu uns kommen die Leute, um gute Musik zu hören, nicht zum Fachsimpeln.“ „Jazz, straight ahead, modern and more…“, so lautet der programmatische Schwerpunkt, den Sasse gesetzt hat. Nichts Abseitiges, Experimentelles also, nichts, das zwar interessant für ein Spezialisten ist, aber allen anderen in den Ohren weh tut.
Aufgeräumtes, nostalgisches Flair sorgt für Gemütlichkeit
Auch optisch setzt das King Georg seit der musikalischen Neuausrichtung auf moderne Nostalgie. Nachdem Axer den Laden übernommen hatte, räumte er ihn erst einmal auf: vom schrammeligen Interieur des vormaligen Indieschuppens ist nichts mehr übrig, die neue Einrichtung wirkt durchdacht und mit ihren Retro-Elementen zugleich elegant und zugänglich. Auch was den Schallschutz angeht, investierte Axer, um Streit über Lärmbelästigung mit Nachbarn vorzubeugen. Denn den hatte es zu Indierockzeiten doch hin und wieder mal gegeben.
Herausgekommen ist eine wahre Perle gelungener Club-Innenarchitektur. Das King Georg ist Augen- und Ohrenschmaus zugleich und büßt dabei doch nichts von seiner Bodenständigkeit ein – was sich auch in fairen Getränke- und Ticketpreisen widerspiegelt. Die relativ geringe Saalgröße sorgt daneben für kölsche Gemütlichkeit. Auch wenn hier zuweilen Weltgrößen auf der Bühne stehen, ein bisschen Wohnzimmeratmosphäre bleibt immer erhalten. Allzu gemütlich sollte es sich allerdings zumindest das Publikum des jeweils ersten Konzerts am Abend dann doch nicht machen. Um über die Konzerte zumindest einen Teil der Ausgaben wieder einzuspielen, fährt das King Georg ein Modell, das auch in vielen US-amerikanischen Jazzclubs Usus sei, erklärt Vater: „Wir starten um 19 Uhr mit dem ersten Auftritt, der zwei Stunden geht. Danach geht das Publikum und wir machen eine halbe Stunde Pause. Anschließend beginnt das zweite Konzert mit neuem Publikum.“ Funktionieren scheint dieses Konzept jedenfalls hervorragend. Oft sind beide Shows pro Abend komplett ausverkauft.
Live-Jazz ohne Förderung ist heutzutage ein Verlustgeschäft
Ohne Zuschüsse würde sich das King Georg dennoch nicht tragen, wie der Geschäftsführer einräumt. Auch wenn der Club dank Konzert-Livestreams und Online-Abos selbst während der Pandemie Einnahmen generieren konnte, wäre jeder eingeladene Künstler ohne Förderung ein Verlustgeschäft: Die Anreise, das Hotel, die Energiekosten und die faire Gage, die Jochen Axer keinem Interpreten vorenthalten möchte. Ohne projektbezogene Förderung, die sich im Jahr 2023 auf rund 20.000 Euro belief, käme der Laden wohl nur mühsam über die Runden. Darüber hinaus habe der Club im vergangenen Jahr den APPLAUS- Award für sein Livemusikprogramm erhalten, der mit 50.000 Euro dotiert ist. „Das ist eine schöne Anerkennung für uns gewesen“, so Vater.
In einer Stadt, die einst wegen ihrer kriminellen Vergangenheit den Beinamen „Chicago am Rhein“ trug, macht sich das heutige King Georg beinahe brav aus. Saßen hier Ende der 60er noch rauchende Ganoven an der Theke, um die nächste Geldwäsche zu planen, wippen heute junge Leute in gepflegtem Ambiente bei einem Cocktail zu entspannter Musik mit den Köpfen. Gefeiert wird danach allerdings wie eh und je – ein bisschen sicher auch die Tatsache, dass es mit der glanzvollen Karriere des King Georg schon so lange stetig aufwärts geht.
King Georg Club&Bar, Sundermanstraße 2/Ebertplatz, 50670 Köln, https://kinggeorg.de
Öffnungszeiten:
Jazz-Club:
Montag bis Donnerstag 19 Uhr* – 01 Uhr
Klubbar mit DJs:
Freitag und Samstag 21 Uhr* – 03.30 Uhr
*an veranstaltungsfreien Abenden (ansonsten zur Einlasszeit)
Sonntag geschlossen
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