Daria Razumovych und Klaus Willbrand stehen nebeneinander vor Willbrands Antiquariat in Köln.
Auf den ersten Blick sind Daria Razumovych und Klaus Willbrand ein ungewöhnliches Team. Doch ihre Liebe zu Büchern eint sie – und machte Willbrand zum Social-Media-Star. Foto: Marina Weigl

Klaus Willbrand: Der Bookfluencer

Klaus Willbrand war kurz davor, sein Kölner Antiquariat zu schließen. Dann lud seine gute Freundin Daria Razumovych, 32, ein Video von ihm in den Sozialen Medien hoch – und plötzlich war er TikTok- und Instagram-Star. Am 29. Januar ist Klaus Willbrand verstorben. Wenige Woche zuvor hatten wir ihn für unser Magazin „K wie Köln“ interviewt und über sein Leben, die Literatur und alte Freunde gesprochen.

160.000 Follower*innen hat er mit seinem Buchantiquariat Willbrand auf Instagram. 53.500 Follower*innen hat sein TikTok-Account @antiquariat.willbrand. Klaus Willbrand wusste mit soviel Aufmerksamkeit gut umzugehen. Bei unserem Gespräch war er noch voller Pläne.

Nun ist Klaus Willbrand, am 29. Januar, plötzlich verstorben. Seine Freundin Daria möchte sein Antiquariat weiterführen. „Das war sein größter Wunsch“, sagt sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Wir sind betroffen über den Verlust dieser besonderen Kölner Persönlichkeit. Zur Erinnerung an ihn teilen wir hier das Gespräch, das unsere Autorin Tabea Soergel mit ihm und Daria Razumovych im Dezember geführt hatte.

Ein Mann und eine Frau treffen sich zufällig auf einem Antikmarkt und retten den Lebenstraum des Mannes. Gibt es dafür eine literarische Vorlage, Herr Willbrand?

Klaus: Nee, die gibt’s nicht. Das ist unsere ureigene Erfindung. Und die Konstellation ist sehr ungewöhnlich, allein durch den Altersunterschied. Aber das spielt in dem Fall keine Rolle, weil wir in unseren Bereichen Fachleute sind. Daria ist Medientheoretikerin, neben vielen anderen Dingen, ich verstehe ein bisschen was von Büchern, und das hat sich sehr gut ergänzt.

Ich sage zwar, ich bin ein einfacher Buchhändler, aber das stimmt auch wieder nicht so ganz.

Daria, eure Videos sind sehr schlicht: Klaus sitzt an seinem Tisch, du stellst ihm aus dem Off eine Frage zu Autor*innen oder Büchern, und dann beginnt er zu erzählen. Ganz old-school, ohne Effekte. Und das wird tausendfach angeklickt und kommentiert.

Daria: Auf allen Plattformen gibt es ja schon länger den Trend, sich wieder mit Büchern zu befassen. Wir konnten das aufgreifen und sagen: Okay, wir wollen keine moderne Literatur vorstellen, wir wollen nicht Fantasy oder Dark Romance besprechen, sondern klassische Literatur, und zwar auf eine ganz andere Art und Weise. Außerdem geht auf TikTok und Instagram der Trend hin zu längeren Videos, ein Bedürfnis nach Tiefe ist also auf allen Seiten da. Und last, but not least liegt es natürlich an der Person Klaus Willbrand. Man merkt, glaube ich, auch im Gespräch, dass nichts gestellt ist, sondern dass er genau so ist, wie er ist.

Klaus: Wir haben systematisch daran gearbeitet. Das ist der Unterschied zu vielen anderen, die nur schwatzen. Wir haben natürlich gar nicht geahnt, dass unser Konzept so einschlagen würde.

Daria: Im Grunde liegt unser Erfolg daran, dass wir das beide leidenschaftlich gerne machen und uns auch in unserem Leben mit Büchern beschäftigen. Dass sowohl Klaus’ frühere Laufbahn als auch meine frühere Laufbahn sich ja auch nur mit Büchern beschäftigt hat. Das ist kein Bürojob, wo man morgens hingeht und abends Feierabend macht. Damit wachen wir morgens auf. Damit gehen wir abends wieder ins Bett. Und das unterschätzen viele, glaube ich.

Daria, wie findest du die Themen für die Videos? Folgst du spontanen Ideen oder gibt es einen Plan?

Daria: Wir haben uns zu Anfang Gedanken gemacht, welche Themen wir spielen wollen, um verschiedene Literaturepochen, verschiedene Schriftsteller*innen abzudecken. Dadurch, dass ich immer alle Kommentare screene, ergibt sich auch ein ganz gutes Bild davon, was die Leute interessiert. Wenn es heißt: Bitte noch mehr persönliche Geschichten von Herrn Willbrand, dann überlegen wir uns ein paar Fragen, die eben in diese Richtung gehen. Wir kriegen etliche Nachrichten mit Wünschen, welche Schriftsteller*innen wir besprechen sollen. Was für uns Sinn ergibt, notiere ich mir in der Content-Liste, die ich dann je nach Tagesstimmung abarbeite. Ich schaue auch darauf, dass sich verschiedene Formate abwechseln. Man kann vieles planen, aber manchmal kommt Klaus ins Erzählen, und dann werden noch mal ganz andere Facetten ans Tageslicht geholt.

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Irritiert oder amüsiert Sie der Hype um Ihre Person manchmal auch?

Klaus: Ich nehme es einfach zur Kenntnis. Wissen Sie, in meinem Alter reagiert man nicht mehr so euphorisch. Außerdem ist es ja nicht so, als wäre ich 80 Jahre lang ein graues Mäuschen gewesen und dann plötzlich berühmt geworden. Das ist ja Quatsch, so ist das auch nicht gelaufen. Ich sage zwar, ich bin ein einfacher Buchhändler, aber das stimmt auch wieder nicht so ganz.

Sie haben im Laufe Ihres Lebens viele wichtige Schriftsteller*innen kennengelernt.

Klaus: Das stimmt. Mit einem der wichtigsten, wenn auch nicht bekanntesten, war ich ja eng befreundet: mit Rolf Dieter Brinkmann. Und dazu kam noch eine wichtige Figur, nämlich Hartmut Sander, der Gründer der Oberbaumpresse in Berlin, die heute noch existiert.

Brinkmann und Sander waren Ihre Kollegen in der Buchhandlung von Johann Kaspar Witsch – und beide Protagonisten der deutschen Underground-Literatur.

Klaus: Wir drei waren immer zusammen. Wie die Drillinge. Und dazu kam noch eine junge Dame, meine damalige Freundin, eigentlich waren wir also sogar ein Quartett. Brinkmann war ein ganz schwieriger Fall. Ich war eine der wenigen Ausnahmen, mit denen er sich fast immer gut verstanden hat. Obwohl es einem passieren konnte, dass er an der Tür sagte: Ach, du bist das! Ich kann dich jetzt nicht gebrauchen. Bumm, war die Tür wieder zu. Und einen Tag später hat er sich dann entschuldigt, aber so war er halt. Man konnte mit ihm auch nicht Smalltalk reden. Er hat jeden ausgelaugt, den er nur in die Hände kriegen konnte, und wehe, jemand hat seinen Intentionen nicht genügt – der war unten durch.

Warum haben Sie eigentlich vor 20 Jahren ein Antiquariat eröffnet und keine reguläre Buchhandlung?

Klaus: Erstens bin ich ja ganz andere Dimensionen gewöhnt. Ich habe nie im Laden gestanden, sondern bin aus meiner Lehre bereits zum stellvertretenden Geschäftsführer von Witsch ernannt worden und habe dann später in den 60er-Jahren den Berlin Verlag geleitet. Als kleiner Buchhändler, der in irgendeiner Quetsche rumsteht, hätte ich mich nicht sehen können. Das mag jetzt ein bisschen arrogant klingen, ist aber nicht so gemeint. Außerdem habe ich es am Anfang, als ich den Laden hier aufmachte, gar nicht so ernstgenommen, denn ich war da immerhin schon 60. Dass ich das jetzt seit 23 Jahren mache war so nicht vorauszusehen. Und es wäre ja auch abrupt zu Ende gegangen, wenn nicht Daria das verhindert hätte.

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Daria, könnte euer Erfolgsmodell ein Impuls für die ganze Buchbranche sein? 

Daria: Ich hoffe, dass die Verlage durch uns sehen, dass auch Themen, die komplex sind und von denen sie vielleicht glauben, dass sie die Leute nicht interessieren, vielleicht doch in den Sozialen Medien besprochen werden sollten. Eben nicht nur die Neuerscheinungen, die total girly, kitschig und pastellig sind. Die Nachfrage ist ja da. Und was wir hier machen soll nicht auf uns beide beschränkt bleiben.

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