Publikum während eines Vortrags des Philosophen Peter Sloterdijk im Café Central im Mai 1988. Foto:

Midnight im Chelsea: Werner Peters über sein legendäres Hotel in Köln und über Martin Kippenberger

Eigentlich wollte Werner Peters nur ein Café aufmachen. Dann verlor er eine Wette und das Chelsea Hotel Köln wurde zum intellektuellen Zentrum der 1980er.

In der sogenannten Kippenberger-Suite im Hotel Chelsea in Köln steht Dr. Werner Peters vor einer Reihe von Fotografien eines seiner berühmtesten Stammgäste, dem früh verstorbenen Künstler Martin Kippenberger.

Herr Peters, Sie haben diese Suite nach Martin Kippenberger benannt, der Zeit seines Lebens Stammgast in Ihrem Hotel war.

Bedauerlicherweise hat Martin die Aufstockung der 5. Etage des Chelsea Hotels im dekonstruktivistischen Stil nicht selbst erlebt, in der die Kippenberger- Suite der zentrale Blickpunkt ist. Er ist einige Jahre vorher gestorben. Mit dem Namen erinnern wir an einen Gast, der das Hotel geliebt und bekannt gemacht hat und der nicht nur Gast, sondern Freund des Hauses war.

Martin hat nicht nur viel Zeit im Hotel, sondern auch in unserer Bar gebracht. Irgendwann gehörte ich dann auch zum engeren Kreis. Es war klar: Wenn Martin irgendwo eine Ausstellungseröffnung hatte, dann musste man mitkommen. Er sagte dann nur: „Anwesenheitspflicht“ und damit war die Sache klar.

Dr. Werner Peters vor der Fotoreihe Martin Kippenbergers. Foto: Werner Peters

Kippenberger und Co: Das Hotel Chelsea wird zum Zentrum für Kölner Künstler*innen

Sie haben in Köln aus dem Hotel Chelsea ein Künstlerhotel gemacht, als das Konzept in Deutschland noch völlig unbekannt war. Kippenberger, die Hetzler-Boys (Albert und Markus Oehlen, Werner Büttner) gingen bei Ihnen ein und aus, tauschten Ihre Kunstwerke gegen Kost und Logis. Wie kam das zustande?

Kippenberger hatte damals sein Atelier ganz in der Nähe und kam manchmal mehrmals am Tag ins Café Central. Bei der WM 1986 tauchte er spätabends auf. Er hatte in den Bars und Restaurants der Nachbarschaft auf die Nationalmannschaft gewettet und gewonnen. Mir schlug er vor: Eine Woche Kost und Logis mit allem Pipapo im Chelsea, wenn Deutschland auch das nächste Spiel gewinnt. Oder eine Zeichnung von ihm, Gegenwert 1.000 Mark. Was soll ich sagen, ich verlor die Wette und Kippenberger zog ein. Es hat ihm wohl gefallen, denn nach der Woche blieb er einfach und zahlte mit einem Bild aus seiner eigenen Sammlung, ein großformatiges Gemälde von Walter Dahn „Schwimmer mit Leiter“. Im Laufe der Jahre habe ich ihm dann eine Reihe weiterer Gemälde aus seiner Kunstsammlung abgekauft.

Die Fassade des Hotel Chelsea in der Abenddämmerung. Foto: Hotel Chelsea

Eines der berühmtesten Werke Kippenberger, die „Sympathische Kommunistin“ von 1983 war lange in ihrem Besitz. 2013 übergaben Sie das Bild im Rahmen einer Teilschenkung an das Museum Ludwig in Köln. Wie war das für Sie das Schlüsselwerk eines Freundes ziehen zu lassen?

Ich spürte damals einen gewissen Verkaufsdruck, vor allem seitens der Sammler, die immer wieder anfragten. Mir war vor allem wichtig, dass das Bild in gute Hände kommt, also wollte ich dorthin geben, wo es meiner Meinung nach hingehört. Ins Museum Ludwig – nach Köln. Tatsächlich ist es so, dass Kippenberger im Museum Ludwig unterrepräsentiert war.

Ich freue mich jedenfalls, dass die „Kommunistin“ am Ende einen guten Platz in Köln gefunden hat. Eine Kuratorin nannte sie sogar die Mona Lisa von Köln.

Ich freue mich jedenfalls, dass die „Kommunistin“ am Ende einen guten Platz in Köln gefunden hat. Eine Kuratorin nannte sie sogar die Mona Lisa von Köln.

Zu dem Bild möchte ich Ihnen noch eine kleine Geschichte erzählen. Die junge Dame auf dem Bild ist kein Fantasieprodukt, die gibt es wirklich. Kippenbergers Werk ist inspiriert von dem Foto einer jungen DDR-Pionierin, die im Rahmen einer großen Feier – 50 Jahre Sowjetunion, oder so etwas – von einem Magazinfotografen abgelichtet wurde. Irgendwann in den 1980ern entdeckte Kippenberger das Foto in einem Magazin und nahm es als Vorlage für sein Portrait. 

Wissen Sie, ob die Dame davon erfahren hat, dass Sie auf so einem bekannten Bild verewigt ist?

Nach der Wende hat sie sich auf einer Veröffentlichung dieses Werkes erkannt und Kontakt mit der Galerie aufgenommen. Bei einer großen Werkschau, ich glaube es war in Düsseldorf, war sie auch als Gast eines Kunstmagazins dabei. Ich habe mich ihr damals als Besitzer des Bildes vorgestellt. Daraus entwickelte sich eine Brieffreundschaft. Sie lebte damals in Greifswald. Dort habe ich sie auch mal besucht.

Köln Hotel Chelsea: Zentrum des kreativen Diskurses im Köln der 1980er

Sie sind Doktor der Philosophie, haben 1972 zum griechischen Militärschriftsteller Onasander promoviert. Macht Sie das zu einem besseren Hotelier?

Überhaupt nicht. Eigentlich wollte ich nie ein Hotel eröffnen! Ich suchte damals nach einem geeigneten Ort für ein Café und mir gefiel diese Ecksituation an der Jülicher Straße, Händel- und Lindenstraße. Das Vorgängerhotel war stark in die Jahre gekommen und ich hatte vor, die oberen Etagen als Büroflächen zu vermieten, um den Umbau des Cafés zu stemmen. Kaum hatten wir angefangen, brach der Büromarkt zusammen und der Umbau des Café Central verschlang das vorhandene Kapital. Da musste ich umdisponieren.

Mit der Reihe „Philosophie im Central“ holten Sie zwischen 1987 und 2014 kritische Denker*innen nach Köln. 

Mir ging es darum, die Philosophie zu den Menschen zu bringen. 1988, als Peter Sloterdijk da war, konnte man die Luft schneiden und die Gäste haben in der Pause die Bar gestürmt. Die Veranstaltung ging bis in den frühen Morgen.

Als Patti Smith mal bei uns gewohnt hat, wollte sie unbedingt Gerhard Richter kennenlernen. Sie wusste, dass er eigentlich keine Gäste mehr empfängt. Wir haben das dann irgendwie organisiert.

Dr. Werner Peters

Wenn Sie heute an die 80er zurückdenken, empfinden Sie dann Wehmut?

Ja, ein bisschen wehmütig bin ich schon. Aber es geht weiter. Auch für das Chelsea: mit jüngeren Künstlern und Kreativen und vielleicht auch bald wieder einem eigenen kleinen Ausstellungsraum.

Übernachten im Hotel Chelsea Köln

Mitten im Belgischen Viertel an der Kreuzung Jülicher Straße, Händel- und Lindenstraße liegt das Chelsea inmitten angesagter Bars und Galerien. Das Café Central im Erdgeschoss ist ebenso legendär wie das Hotel selbst. Besonders erwähnenswert: Die Kippenberger-Suite auf zwei Etagen mit einem spektakulären verglasten Treppenaufgang, der in den Kölner Himmel ragt. 

Hotel Chelsea / Jülicher Str. 1 / 50674 Köln / +49 221 20 71 50 / www.hotel-chelsea.de

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