Straßenszene im Agnesviertel Köln mit Blick auf die Kirche St. Agnes, umgeben von historischen Gebäuden und Geschäften.
Straßenszene im Agnesviertel Köln mit Blick auf die Kirche St. Agnes, umgeben von historischen Gebäuden und Geschäften. Foto: Doreen Reeck

Agnesviertel: Ein Veedel zum verlieben

Gründerzeitfassaden neben modernen Bauten, trubelige Einkaufsstraßen und auf Festungsmauern versteckte blühende Oasen, großen Kölner Namen und winzige Figuren der kölschen Sagenwelt: auf Entdeckungstour durchs Agnesviertel.

Die Agneskirche: Eine Liebeserklärung gebaut für die Ewigkeit

Sie ist die unangefochtene Königin im Agnesviertel Köln in der Neustadt-Nord: Die Agneskirche, zweitgrößte Kirche des Viertels nach dem Dom. Sie prägt nicht nur das Stadtbild, sondern gibt auch dem Veedel seinen Namen. Die neugotische Pracht mit ihrem 62 Meter hohen, charakteristischen Turm „ohne Helm“ verdankt ihren Namen der Frau des Stifters Peter Joseph Roeckerath. Agnes verstarb 1890 im Alter von nur 44 Jahren, und als Roeckerath sechs Jahre später den Auftrag zum Bau des Gotteshauses erteilte, ließ er es offiziell der heiligen Agnes weihen, um seiner Frau zu gedenken – die Kirche erhielt ihren Namen aus Liebe.


Der Kirchturm der Kirch St. Agnes in Köln im gotischen Stil, beleuchtet von der Abendsonne, vor einem bewölkten blauen Himmel. Bäume im Vordergrund.
Die Agneskirche, die dem Veedel seinen Namen gab. Benannt nach der Frau des Stifters und eine Liebeserklärung für die Ewigkeit. Foto: Doreen Reeck

Ein Spaziergang durchs Agnesviertel lässt schnell die Frage aufkommen: What’s not to love? Individuelle Läden, ein bunter Wochenmarkt, vielfältige kulinarische Optionen, lauschige Grünflächen und prächtige Bauten – hier gibt es einiges zu entdecken. Sicher, auch das Agnesviertel hat die eine oder andere Bausünde, aber architektonisch wird hier ordentlich aufgefahren. Wer gerne Altbauten bewundert, sollte die Weißenburg-, Blumenthal- oder Ewaldisstraße sowie die Neusser Straße und das Oberlandesgericht am Reichensperger Platz (erbaut 1907–11) ins Auge fassen.

Kaffee, Kuchen und Köstlichkeiten

Städtische Häuserfassaden mit Stuckverzierungen, daneben Bäume; Schild eines Cafés mit Elefantenlogo im Vordergrund.
Das Café Elefant auf der Weißenburgstraße ist schon von Weitem zu sehen. Foto: Doreen Reeck

Falls man nicht schon am „Pico Coffee“-Büdchen am Neusser Platz mit Blick auf die Agneskirche einen Stopp eingelegt hat, bietet sich auf dem Weg zum Café Elefant in der Weißenburgstraße 50 die Gelegenheit, bei einem Stück Kuchen das Ambiente auf sich wirken zu lassen. Soll es eher herzhafter sein, lohnt sich ein Abstecher zur Neusser Straße 81, gegenüber dem Westeingang der Kirche, wo gerade ein Ableger von „Oruc Kebap“ eröffnet hat – der Stammladen im Kwartier Latäng existiert seit 1988 und genießt einen hervorragenden Ruf.

Das Oberlandesgericht und Fort X: Historische Giganten

Das Oberlandesgericht im Agnesviertel Köln, mit aufwändiger Fassade und gepflegter Rasenfläche, unter blauem Himmel.
Dem Oberlandesgericht setzte Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll mit einem Essay ein literarisches Denkmal… Foto: Doreen Reeck

Das „große Schloss mit der weitläufigen Fassade“ nannte Heinrich Böll das Oberlandesgericht in seinem Essay „Hülchrather Straße Nr. 7“. Einen ganzen Block nimmt der Riese im neobarocken Stil ein. Der Essay trägt nicht zufällig diesen Titel, denn an dieser Adresse um die Ecke lebte der Kölner Literatur-Nobelpreisträger von 1969 bis 1982.

Heinrich Bölls ehemaliges Wohnhaus im Agnesviertel Köln, weiß gestrichen, mit einem Baum davor.
…weil der große Kölner Schriftsteller ganz in der Nähe lebte. Hier schrieb er unter anderem seinen wohl bekanntesten Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Foto: Doreen Reeck

Eine Nummer kleiner, aber nicht weniger beeindruckend ist das Fort X, eine von einst elf Befestigungsanlagen des Kölner Festungsrings aus preußischer Zeit im Grüngürtel, das man über die Hülchrather Straße erreicht. Auf dem Wall versteckt sich mit dem Rosengarten eine echte Großstadt-Chill-Oase – unbedingt mal reinschlendern! (Mai–Okt). Sportlich wird es im Lentpark, wo man im Sommer im Naturbadeteich abtaucht und im Winter auf der 4,50 Meter hoch gelegenen Eishochbahn seine Runden dreht. Ein Skate- und ein Slackline-Park im Grüngürtel runden das Angebot ab.

Kultur und Kunst im Agnesviertel


Bronzefiguren von zwei Heinzelmännchen, die aus einer Holzkiste schauen, montiert auf einer grauen Steinwand
Reminiszenz an die kölsch Legende der Heinzelmännchen: Mit ihren Bronzefiguren haben die Künstler*innen Heike Haupt und Anton Fuchs einen modernen Take auf die klassische Erzählung geschaffen. Foto: Doreen Reeck

Von hier kann man entweder zum Rheinufer hinuntergehen und auf dem Weg das Weinmuseum und zeitgenössische Kunst im Skulpturenpark unter freiem Himmel mitnehmen. Oder man schlendert über den Neusser Wall und die Neusser Straße wieder südwärts ins Veedel – hier herrscht buntes Treiben mit Geschäften des täglichen Bedarfs, Cafés, Brauhäusern, Secondhandläden, Boutiquen wie Mrs Goodwill, fairer Mode made in Köln bei Lanius und der gut sortierten Agnesbuchhandlung. Ein Abstecher in die Weißenburgstraße bringt eine kölsche Überraschung mit sich – an Hausnummer 15 stellt man fest: Sie sind wieder da! Die Rede ist von den Heinzelmännchen, pardon, den Heinzen. Die Kölner Künstler Heike Haupt und Anton Fuchs haben der wohl urkölschesten Legende ein Facelift verpasst: Seit 2015 verschönern ihre 35 Zentimeter großen Bronzefiguren, moderne Verwandte der Heinzelmännchen, auf dem „Heinzweg“ mit bereits mehr als 20 Stationen die Stadt.

Der Ebertplatz: Ein Ort im Wandel

Der Ebertplatz Köln in der Totalen
Der Ebertplatz in Köln: Der größte innerstädtische Platz ist ein Produkt der autogerechten Stadtplanung der 1970er. Jetzt arbeiten Stadtgesellschaft und Politik Hand in Hand, um den Platz zum Zentrum kreativen Lebens zu machen. Foto: Nils Bröer

Am Südende der Neusser Straße stößt man schließlich auf den weitläufigen Ebertplatz. Für die einen berühmt, für die anderen berüchtigt. Beide Seiten haben recht. Hier entspannt man im Sommer bei einem Drink vom Gastro-Container in der Sonne und beobachtet das Wasserspiel des Brunnens. Kreative Offszene-Galerien wie das Gold+Beton haben sich hier angesiedelt, es finden Konzerte, Stadtfeste und Festivals statt. Nicht zu ignorieren ist jedoch auch: Drogenszene und Kriminalität. Noch. Denn eine engagierte Community aus Kreativen und Anwohnern arbeitet am Imagewandel.

Legendäre Spots: King Georg und Le Moissonnier

Im King Georg hängen Cover klassischer Jazzplatten an der Wand. Die Redaktion empfiehl an dieser Stelle „We Insist: Freedom Now Suite“ von Max Roach. Foto: King Georg

Zwei Legenden liegen nur einen Steinwurf entfernt: Das King Georg, das sich nach Jahrzehnten im Kölner Nachtleben Kultstatus erarbeitet hat und für sein Live-Programm ausgezeichnet wurde, modernisierte mit dem Besitzerwechsel 2019 nicht nur Mobiliar und Look, sondern stellte sich zugleich neu als Jazzbar auf. Kulinarisch glänzte am Rand des Viertels, an der Krefelder Straße, jahrzehntelang das „Le Moissonnier“ mit zwei Michelin-Sternen, bis Liliane und Vincent Moissonnier 2023 beschlossen: So stressig geht es nicht weiter. Sie schlossen ihr Restaurant und eröffneten es als französisches Bistro ohne Sterne-Ambitionen neu. Die Michelin-Tester*innen sahen das anders und prompt gab es 2024 wieder einen Stern.

Kulinarische Highlights im Agnesviertel

Doch man muss nicht nach den Sternen greifen oder tief in die Tasche, um im Agnesviertel in Köln satt zu werden: Bodenständig italienisch geht es in der Bar Celentano an der Maybachstraße 145 zu, hervorragende vegane Ente serviert das vietnamesisch orientierte Ngon Veggie am Sudermannplatz, für die Croissants vom Goodchild Café an der Sudermannstraße würden manche ihre Großmutter verkaufen und die Cocktails von Toddy Tapper sind nicht nur zünftig, sondern auch mehrfach preisgekrönt. Im Tapas-Game hat vor Kurzem das Salera an der Balthasarstraße 1 mit seinem „Fish’n’Chips by Salera“-Fensterverkauf einen Nerv getroffen. Wer seinen Fisch vor dem Laden genießt, hat gegenüber den modernen Gegenentwurf zur Agneskirche im Blick: die in den 1960er-Jahren nach Entwürfen von Gottfried Böhm fertiggestellte Kirche St. Gertrud. Modern und klassisch nebeneinander funktioniert eben gut im Agnesviertel. So sieht man das auch in der Feuerwache: Neben einem vielseitigen Kulturprogramm, allerlei Kursen und Familienangeboten wird hier im Hof regelmäßig ein Flohmarkt veranstaltet – für viele einer der schönsten in Köln (aktuell aufgrund der Hofsanierung pausiert, man sollte die Website im Auge behalten).

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