Brutalistische Architektur in Köln polarisiert bis heute. Hier zu sehen: Die Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde. Foto: Raimond Spekking/Wikipedia

Brutal schön? 5 Kölner Bausünden, an denen sich die Geister scheiden

Abstrakte Formen, grelle Farbakzente und Beton, soweit das Auge reicht: Die brutalistische Architektur der Nachkriegszeit trifft sicher nicht jeden Geschmack. Warum sie dennoch sehenswert ist

Was es schon lange gibt, setzt irgendwann Patina an. Die ist nicht immer wunderschön, dafür aber umso authentischer. Und was für viele Alltagsdinge gilt, gilt auch für Städte, in denen Generationen von Einwohnerinnen und Einwohnern ihre Spuren hinterlassen – auch Architekten. Wir haben uns 5 besonders – sagen wir mal – einprägsame Bauten in Köln angeschaut, die nicht den Massengeschmack treffen, dafür aber umso mehr über die Stadt und die Menschen erzählen, in der sie entstanden sind.  

Brutalistische Architektur prägte das Kölner Stadtbild mit

Expressionistische Architektur aus Sichtbeton steht seit einigen Jahren hoch in der Gunst all jener, die urbane Räume neu entdecken wollen. Die Ästhetik des Brutalismus hingegen fristete lange ein Dasein als verpönter Trend des Architekturbetriebs der 1960er- und 1970er-Jahre. Auch wenn sich heutzutage noch viele Leute schwer damit tun, die als schmucklose und kalt empfundenen Bauten aus Sichtbeton mit ihrer klaren und in Teilen abstrakten Formensprache zu goutieren, finden sich immer mehr Bewunderer der extravagant inszenierten Entwürfe der Nachkriegszeit. In Köln hinterließ der Brutalismus bedeutende Spuren in der Stadtgestaltung.

Hochschule für Musik und Tanz Köln

Architektur Köln: Die Fassade der Hochschule für Musik und Tanz Köln vereint verschiedene Stile, Formen und Farben. Foto: Raimond Spekking/Wikipedia

Einen Hauptsitz, dessen Architektur die schönen Künste, die im Haus gelehrt werden, widerspiegelt, hatte die Kölner Hochschule für Musik und Tanz im Sinn, als man in den 1960er-Jahren beschloss, neu bauen zu wollen. Also schrieb das Land Nordrhein-Westfalen einen Wettbewerb für Architekten und Planer aus, die das Gebäude entsprechend dieser Überlegungen entwerfen sollten. 1969 gewann das damals noch junge Architektenkollektiv Bauturm mit seinem Entwurf die Ausschreibung. In den folgenden acht Jahren der Realisierung des Projekts wurde aus dem Kollektiv dann „Werkgruppe 7 und Bauturm“, das die Pläne in zwei Bauabschnitten umsetzte.

Auszeichnung mit dem Kölner Architekturpreis noch vor Vollendung

Das Ergebnis, das auch heute noch das Straßenbild bestimmt und schon nach Fertigstellung der ersten Bauphase mit dem renommierten Kölner Architekturpreis ausgezeichnet wurde, ist ein wilder Mix aus verschiedenen architektonischen Stilen, in dem große farbige Flächen den Kontrast zu Betonflächen bilden. Hier überschneiden sich entrückte und geordnete Formen und Akzente. Herausgekommen ist eine Architektur, die den Rhythmus bildlich einfasst, aus der Reihe tanzt, ihren eigenen Takt angibt. Erst im Zusammenspiel aller einzelnen Elemente ergibt sich daraus das perfekte Gleichgewicht fürs Auge.   

Universitäts- und Stadtbibliothek Köln

Das Magazin der Stadtbibliothek: Ein gigantisches Panorama in Beton gegossener Strukturen. Foto: H. Schoel

Außergewöhnliche Sammlungen verlangen auch nach außergewöhnlicher Architektur. Unter den herausragenden Gebäuden brutalistischer Baukunst in der Domstadt gehört daher das Ensemble der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln zu den prominentesten. Entworfen vom Stuttgarter Architekten Rolf Gutbrod entstand der für seinen wabenverkleideten Magazinkubus berühmte Komplex in der Zeit von 1964 bis 1967. Im Gegensatz zur architektonischen Ausgestaltung des Magazins sind Verwaltungsbereich und Lesesaal eher unspektakulär gestaltet.

Ein Gebäude mit Strahlkraft

Die optische Außergewöhnlichkeit des Magazins ist ganz bewusst so inszeniert, um die Wichtigkeit dieses Gebäudeelements zu unterstreichen. Schließlich handelt es sich hierbei um jenen Ort, an dem die größte Mediensammlung in Nordrhein-Westfalen zu finden ist. Sie umfasst rund 4,4 Millionen Medien und nochmals ähnlich viele digitale Quellen im Bestand. Seit 2020 stehen die Gutbrod-Bauten sowie die umgebende Landschaftsarchitektur unter Denkmalschutz.

Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde

Abstrakte Formen, wo der Blick auch hinfällt: Die Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde. Foto: Raimond Spekking/Wikipedia

Sakrale Bauten mit architektonischer Strahlkraft findet man in Köln auch jenseits des Doms in großer Zahl. Insbesondere in der Hochzeit des brutalistischen Bauens entstanden viele bemerkenswerte Kirchenbauten. Ganz besonders sticht daraus die von 1968 bis 1969 realisierte Kirche der Katholischen Hochschulgemeinde, auch als Kirche Johannes XXIII bekannt, hervor. In nächster Nähe zur Kölner Universität in Sülz findet sich das mittlerweile denkmalgeschützte Gebäude, das vor abstrakten Formen nur so strotzt.

Ein Baum aus Beton

Basierend auf Plänen und Entwürfen des Bildhauers Josef Rikus verwirklichte der Architekt Heinz Buchmann einen Sakralbau, dessen zentrales Motiv ein Baum ist – einer mit Wurzeln und Ästen aus Beton. Sowohl außen wie auch im Innenbereich der Kirche finden sich überall plastisch zusammengeführte Betonelemente. Abstrakte Formen weisen ebenso die Innenausstattung wie auch die von Will Thonett entworfenen Fenster der Kirche auf. Erst 2016 wurde das Gebäude vom Kölner Architekturbüro 3pass Architekten aufwendig saniert.  

Paradebeispiel für Kölner Brutalismus: Ebertplatz

Der Ebertplatz in seiner aktuellen Ausgestaltung ist vielen Kölner*innen ein Dorn im Auge. Foto: Willy Horsch

Einer der markantesten und meistdiskutierten Orte im Kölner Stadtgebiet ist mit Sicherheit der Ebertplatz. Und der ist nicht nur auf den ersten Blick ein Paradebeispiel für den architektonischen Trend des Brutalismus in den 1970er-Jahren, sondern auch eine geradezu exemplarische Arbeit der Stadtraumgestaltung dieser Zeit. Im Zuge des Kölner U-Bahn-Baus entwarf der Architekt Kurz Jatho, ein damaliger Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes, das Konzept für den größten Platz in der Kölner Neustadt-Nord.

Neugestaltung des Ebertplatzes ist seit Jahren im Gespräch

Zentraler Punkt des Ebertplatzes ist eine unter Straßenniveau abgesenkte Fläche, deren Ausgestaltung auf polygonen Formen basiert. Überall begegnen dem Betrachter sechseckige Wabenformen als dominierende Elemente. Im Zentrum thront seit 1977 die wasserkinetische Plastik des Künstlers Wolfgang Göddertz, im Volksmund auch bekannt als „Nagelbrunnen“. Eine Neugestaltung des Ebertplatzes ist seit vielen Jahren Stein des Anstoßes und Gegenstand intensiver Debatten.

Köln-Chorweiler

Köln-Chorweiler kämpft bis heute gegen seinen Ruf. Foto: Elke Wetzig/Wikipedia

Hand aufs Herz: Köln-Chorweiler hat in der Vergangenheit nicht immer den besten Ruf genossen, galt mitunter als sozialer Brennpunkt der Domstadt. Unbestreitbar ist allerdings auch, dass dem Negativ-Image in den vergangenen Jahren der Kampf angesagt wurde. Mit zahlreichen Projekten, geförderten Programmen und Maßnahmen unter reger Beteiligung der Bürgerschaft wird Chorweiler mittlerweile aufgewertet. Einen ganz eigenen Charme aus alten Tagen versprüht dennoch die Architektur Köln-Chorweilers. Die ist nämlich immer noch ein Paradebeispiel für den städtebaulichen Aufbruch in der Bundesrepublik zu Zeiten der Wirtschaftswunderzeit.

Architektur Köln: Sichtbeton satt

Zu seiner Entstehung ab 1957 war Chorweiler auf dem Reißbrett eine der größten Trabantenstädte ihrer Art in Deutschland. Um die Vielseitigkeit der Architektur dieser Tage darzustellen, wurden verschiedene Architekturbüros damit beauftragt, der „neuen Stadt Chorweiler“ ihren ganz eigenen baulichen Stempel aufzudrücken. So findet sich der Brutalismus in Chorweiler in zahlreichen Spielarten wieder. Exemplarisch genannt seien etwa das City-Center Chorweiler oder die ikonischen Hochhauswohnbauten, die Chorweilers Skyline bestimmen. Der Kölner Architekt Gottfried Böhm zeichnete für mehrere Projekte im Stadtbezirk verantwortlich. Eines der wohl ungewöhnlichsten davon ist der experimentell anmutende Wohnhauskomplex an der Ripphahnschen Straße. Sichtbeton-Fans sollten sich das beeindruckende Ensemble mit den markanten Fassaden definitiv nicht entgehen lassen.

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