Blick auf die Kölner Skyline und die Poller Wiesen, wo vereinzelt Menschen im Gras liegen
Kölner Skyline im späten Sonnenlicht: Die Fahrradtour durch Schäl Sick führt euch zu den Poller Wiesen. Foto: AdobeStock

Fahrradtour auf der Schäl Sick: Kölns cooler Underdog

Die „Schäl Sick“, Kölns rechte Rheinseite, reiht keine großen Sehenswürdigkeiten aneinander, punktet aber mit dem urbanen Charme alter Industrieareale im Wandel und mit multikulturellen Lebenswelten. Die Radtour führt durch Mülheim, am Rhein entlang nach Deutz, reißt nach Kalk aus und kehrt für den Ausklang mitten im schönsten Köln-Panorama an den Rhein zurück.

Brausender Verkehr, wuselnde Fußgänger*innen – wer am Wiener Platz in Mülheim aus der Bahn steigt, steht direkt mitten im Leben. Der von alter Industrie, Zuwanderung und verschiedenen Kulturen geprägte Stadtteil ist der bevölkerungsreichste und auch einer der buntesten von Köln. Kaum in die Buchheimer Straße losgerollt, bietet sich rechter Hand an der Wallstraße im Café Vreiheit bei großer Frühstücksauswahl, Mittagstisch und leckerem Kuchen der erste Stopp an. In der schönen Jahreszeit lockt die idyllische Caféterrasse direkt neben der Friedenskirche gegenüber. 

Ehe die Fahrradtour durch Schäl Sick richtig losgeht, lohnt ein Abstecher an den Rhein zu zwei Mülheimer Wahrzeichen: Der heilige Nepomuk, Schutzheiliger der Brücken, genießt hier vor der aufs Mittelalter zurückgehenden St.-Clemens-Kirche den schönen Blick über den Fluss und auf die Mülheimer Brücke.

Neues Gewerbequartier im Mülheimer Schanzenviertel

Nun aber erst mal in die Pedale treten: Es geht durch die Wallstraße, weiter in die Dünnwalder, die in die Berliner Straße übergeht, zwei Rechts- und einen Linksschlenker später ist das neue Köln-Mülheimer Schanzenviertel erreicht. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert brummte hier die Industrie, unter anderem in der Felten & Guilleaume Kabelfabrik, heute sind Firmen, Kulturbetriebe und Veranstaltungs-Locations eingezogen. 

Blick auf eine Grabstätte auf dem Friedhof Mühlheim, daneben grüne Bäume und eine Engelsstatur.
Eine Ruheinsel im urbanen Leben: der Evangelische Friedhof Mülheim. Foto: A.Savin

So strömen über die Schanzenstraße regelmäßig Fans von Livemusik ins E-Werk und in das gegenüberliegende Palladium, das Ende des 19. Jahrhundert als Maschinenbauhalle entstand. Die roten Backsteinmauern des Geländes leiten euch zur Carlswerkstraße, wo ihr rechts ab- und kurz darauf wieder rechts durch ein großes Tor aufs Carlswerkgelände einbiegt. In den früheren Industriehallen sitzen nun Unternehmen wie Tesla, die Boulderhalle Stuntwerk, der Bastei Lübbe Verlag und die Interimsspielstätte Depot des Schauspiel Köln. Direkt davor sorgt das Urban-Gardening-Projekt CARLsGARTEN für Grün und Gemüse.

Ruheinsel im urbanen Leben: der evangelische Friedhof Mühlheim

Kaum zwei Katzensprünge nach links vom Carlswerkgelände liegt die Keupstraße. Hier schlägt das Herz der türkischen Community Kölns, seit in den 1960er-Jahren die ersten Gastarbeiter*innen angeworben wurden. Heute reihen sich hier insbesondere türkische Restaurants aneinander, wie das beliebte Mevlana, Dönerimbisse, Bäckereien und Juwelierläden.

Nach der quirligen Betriebsamkeit der Keupstraße wartet eine Ruheinsel im urbanen Leben: Der denkmalgeschützte Evangelische Friedhof Mülheim an der Bergisch-Gladbacher-Straße besteht seit 1612 und entsprechend alte Gräber lassen sich hier aufspüren. Auch heute wird hier noch bestattet. Die besondere Atmosphäre des Ortes könnt ihr bei einem kurzen Spaziergang erspüren.
Ebenso entspannt geht es im Mülheimer Stadtgarten zu, der nur wenige Radminuten entfernt liegt. Der ist genau 300 Jahre jünger und glänzt mit grünen Wiesen, einem Teich samt schmucken Trauerweiden und dem Märchenbrunnen des Kölner Bildhauers Wilhelm Albermann. 

Blick auf den Rhein am Mülheimer Hafen. Im Hintergrund geht die Sonne am bewölkten Himmel unter
Während eurer Fahrradtour durch Schäl Sick solltet ihr unbedingt einen Zwischenstopp am Mülheimer Hafen einlegen. Foto: AdobeStock

Nun ruft wieder der Rhein: Über den Bergischen Ring radelt ihr in Richtung Wiener Platz und biegt kurz davor links in die Bachstraße ab. Über den steilen „Katzenbuckel“ – eine Fußgänger- und Radbrücke – rutscht ihr auf die Mülheimer Insel und rollt mit Blick auf den Mülheimer Hafen und alte Industriehallen schließlich unter der Zoobrücke hindurch geradewegs in den Rheinpark.

Logenblick auf den Kölner Dom und die Altstadt

Bei bestem Domblick flaniert hier gern halb Köln durch das Grün, das seine jetzige Gestalt anlässlich der Bundesgartenschau 1957 erhielt. Familien picknicken, Kinder planschen in Brunnen, Sportliche joggen und eine Bimmelbahn gibt’s auch, ebenso wie die rechtsrheinische Station der Kölner Seilbahn. 2022 eröffnete nach vier Jahrzehnten und umfangreicher Sanierung auch endlich wieder das denkmalgeschützte Parkcafé.

Die Fahrradtour durch Schäl Sick führt über den „Katzenbuckel“ zur Mülheimer Insel. Foto: AdobeStock

Nicht nur im Rheinpark, auch hinter der Hohenzollernbrücke und von deren Treppenaufgang aus – perfekter Foto-Stopp! – genießt ihr Logenblicke auf Dom und Altstadt. Die Tour führt aber erst einmal weg vom Rhein, vorbei am charakteristischen Kuppelbau des Bahnhofs Köln Messe/Deutz und kurz bergan zur als „Henkelmännchen“ bekannten Lanxess Arena, eine der größten Veranstaltungs-Locations Kölns. Den Namen bescherte dem Bau ihr 76 Meter hohe Bogen übers Dach.

Die Gummersbacher Straße bringt euch nach Kalk. Rechter Hand sausen der Pyramidenpark und das Heim der Kölner Haie vorbei, links leuchten die Einsatzfahrzeuge hinter den großen verglasten Toren der Feuer- und Rettungswache 10. Dann ist auch schon der Bürgerpark Kalk erreicht. Daran, dass auch dieser Stadtteil auf eine große Industriehistorie zurückblickt, erinnert der ehemalige Wasserturm der Chemischen Fabrik Kalk. Das über 40 Meter hohe Gebäude von 1904 ist alles, was davon blieb.

Kalk: das nächste In-Viertel mit Hipsterpotenzial

Durch die enge Vorsterstraße geht es zur nicht wesentlich breiteren Kalk-Mülheimer Straße. Mit dem Niedergang der Industrie in Kalk ging auch der Wohlstand dahin, schwierige Jahrzehnte folgten und das sieht man hier an vielen Ecken durchaus. Dennoch oder gerade deshalb wird Kalk gern als nächstes In-Viertel mit Hipsterpotenzial gehandelt. Das süße Café Villa Kalka, das wunderbare Programmkino Lichtspiele Kalk an der Kalk-Mülheimer Straße oder auch die vegane Nudelbar Nobiko in der Parallelstraße sprechen dafür. Aber auch beinahe dörfliches Flair gibt’s auf der weiteren Fahrradtour durch Wipperfürther, Remscheider und Bertramstraße. Über Engels-, Feld-, Markt- und Steprathstraße gelangt ihr zur Hauptschlagader des Viertels: die Kalker Hauptstraße.

Aussicht durch grüne Bäume vom Rheinpark auf den Kölner Dom
Perfekter Foto-Stopp: Der Rheinpark in Köln mit Aussicht auf den Dom. Foto: AdobeStock

Hier dürft ihr euch auf einen urkölschen Leckerbissen freuen – im Wortsinn! Unter dem gemeinsamen Namen Brauwelt Köln firmieren seit Ende 2021 die beiden ältesten Kölsch-Brauereien und -Brennereien Kölns: Sünner Kölsch und Mühlen Kölsch. Eine Augenweide ist nicht nur die gelbe Ziegelfassade des Backsteinbaus von 1890, sondern auch der Einblick durchs große Fenster auf die kupfern glänzende Würzpfanne. Neben Führungen durch Brauerei und Brennerei könnt ihr hier, na klar, vor allem Kölsch im Biergarten und dem stimmungsvollen Brauhaus trinken. Aufgetischt wird traditionelle kölsche Küche – wie wär’s mit „Himmel un Ääd“ oder einem „Halven Hahn“? – sowie Internationales mit kölschem Twist.

Charmant alternative Gastrospots in Kalk

Nach der Stärkung wartet noch mehr Kalk: An der Wiersbergstraße liegen mit dem veganen Trash Chic und der Bambule Kaffeebar zwei charmante alternative Gastrospots, und in den Abenteuerhallen Kalk – dem Zentrum für urbane Jugend- und Bewegungskultur, kann man unter anderem beim Klettern die Wände hochgehen, Artistik-Kurse besuchen und Tricks im Skatepark üben.

Vorbei an Industriebrachen und unter Bahnbögen hindurch läuft die Fahrradtour durch Schäl Sick nun auf den wuchtigen Bau der St.-Engelbert-Kirche zu. Friseurshops und Kioske, orientalische Supermärkte und deutsche Kölschkneipen, eine marokkanische Moschee und ein Tattoostudio zeigen: Auch Kalk ist multikulti. Retour über die Taunusstraße erreicht ihr an der Gießener Straße das riesige Mural vom Künstlerkollektiv „innerfields“, das an Caspar Davids Friedrichs berühmten „Wanderer über dem Nebelmeer“ angelehnt ist. Im Hintergrund der Figur mit Smartphone in der Hand erkennt man hier die Kölner Altstadt.

Die Poller Wiesen – das große Finale der Fahrradtour durch Schäl Sick

Nun aber endlich an den Rhein! Die Gießener führt zur Deutz-Kalker-Straße, von der ihr durch die Fußgängerzone Deutzer Freiheit gen Ufer fahrt. Rheinabwärts entlang der Deutzer Werft, wo gerne ein paar Körbe auf den Basketballplätzen geworfen werden, radelt ihr unter der grün schimmernden Severinsbrücke hindurch in Richtung Deutzer Hafen.

Blick durch die Deutzer Drehbrücke in Köln
Die frisch renovierte Deutzer Drehbrücke führt geradewegs zu den Poller Wiesen. Foto: Adobe Stock

Hinter der frisch renovierten Deutzer Drehbrücke warten eine Halbinsel mit weitläufigen Rheinauen und das Finale an den Poller Wiesen. Hier könnt ihr natürlich herrlich radeln, aber auch spazieren, andere beim Drachensteigen beobachten oder einfach im Gras liegen. Alles bei bestem Blick auf die Kölner Skyline mit Dom, Altstadt, Rheinauhafen und Kranhäusern – das ultimative Köln-Panorama.

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