Das Odonien in Köln ist nicht nur Kulisse für unkonventionelle Events wie das Roboterkunstfestival „Robodonien“, sondern auch eine feste Größe in der Kölner Club- und Kulturlandschaft. Kreativer Kopf des Ganzen ist der Künstler Odo Rumpf, der hier mitten im Industrieambiente ein Freiluftatelier geschaffen hat, wo er und andere Künstler*innen großformatige Werke kreieren, und (Sub)Kulturen aller Couleur Entwicklungsräume bietet. Wir haben Odo Rumpf zum Gespräch getroffen.
Das Odonien definiert sich als Freistaat für Kultur und Kunst, was heißt das für Dich?
Odo Rumpf: In Freistaat steckt der Begriff Freiheit drin, das beschreibt es eigentlich schon: Hier gibt es für mich und andere Künstler*innen die Möglichkeit, einen Freigeist zu entwickeln. Es ist ein Ort, wo man auch verrückte, nicht alltägliche oder absurde Sachen ausprobieren kann.
Du arbeitest seit mehr als 30 Jahren als Künstler, eigentlich hast Du Maschinenbau studiert – was führte Dich zur Kunst?
Ich komme aus einer Ingenieursfamilie und konnte mir nach dem Abitur vieles vorstellen, auch etwas Kreatives wie Design. Ich bewarb mich für ganz verschiedene Studiengänge und bekam an der RWTH Aachen direkt einen Platz für Maschinenbau. Schon als Kind und Jugendlicher habe ich immer mit Metall gefrickelt – am Fahrrad, Mofa, Motorrad. Ich hatte also eine Affinität für das Material und Maschinenbau ist ja auch superkreativ. Als Künstler entwickelst du Sachen, genau wie als Maschinenbauingenieur, da gibt es durchaus große Parallelen.
Die Kreativität war immer schon da, die Hinwendung zur Kunst hat sich ergeben, unter anderem weil mein Freundeskreis zu 80 Prozent aus Designer*innen und Künstler*innen bestand. Zum Beispiel Thomas Virnich, für den ich in den Ferien gearbeitet und Kunstobjekte mitentwickelt habe. Im Nachhinein kann man sagen, das war alles schon Kunst, was ich da gemacht habe.
Wie ging es nach dem Studium für Dich weiter?
Als Diplomingenieur zu arbeiten, fand ich zwar nicht uninteressant, aber die Atmosphäre, die absurden Ziele schon. Maschinenbau zielte auf weltweite Märkte und hohe Verkäufe ab – das gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte gerade eine neue Wohnung in Leverkusen bezogen und mir eine kleine Werkstatt eingerichtet. Dort fing ich an, mit einem geliehenen Schweißgerät und einer Flex aus verbogenen, zerborstenen und verrosteten Metallteilen exzentrische Möbel zu schweißen. Das war erst mal das Gegenteil vom Maschinenbau, aber weil ich Präzision gelernt hatte, entstanden so ganz edle Möbel, die fast wie Leder wirkten, mit irrsinnigen Formen. Ich habe den Fokus auf die Natürlichkeit, die Aura, die Atmosphäre dieser Teile gelegt. Dennoch waren sie als Möbel voll funktionsfähig. Das war Anfang der 90er und schlug riesige Wellen, ich gehörte damit zu der Handvoll exotischer Designer wie X99 aus Köln oder Christoph Ernst in Berlin.
Der nächste Schritt war Dein Atelier in Köln, wo Du vor allem große Objekte geschaffen hast.
Ich hatte das Riesenglück, dass ich mir im alten Bahn-Ausbesserungswerk in Nippes ein Atelier einrichten konnte. Die Hallen waren tausende Quadratmeter groß, mit null Miete oder sonstigen Kosten war das ein Paradies, wo ich mich mit meinem bevorzugten Material arbeiten konnte. Es entstanden große solarkinetische Arbeiten wie der „Solarvogel“, wofür ich einen europäischen Kunstpreis erhielt. Das waren Mitte der 90er ganz neue Kunstformen, die Sonnenenergie erstmals sichtbar machten. Durch mein technisches Know-how konnte ich diese Objekte so bauen, dass man die Technik gar nicht wahrnahm und alles wirkte wie von Zauberhand.
Mir war immer wichtig, die schweren Sachen so zu bauen, dass sie sehr leicht wirkten. Durch mein Maschinenbaustudium war ich in der Lage, große Skulpturen zu schaffen, auch im öffentlichen Bereich. Das ging 15 Jahre lang und irgendwann gab es gar kein Zurück mehr. Letztendlich war es dann ein formeller Schritt, mich als Künstler zu bezeichnen.
2005 war Schluss im Ausbesserungswerk und Du bist aufs Gelände des heutigen Odonien Köln gezogen.
Die Bahn kam damals auf mich zu, ob das für mich interessant wäre. Es war eine Baustellensiedlung für die großen Bahnbrücken gewesen und das Baulager existierte noch, als ich herzog. Das war ein Glücksfall, denn das waren auch wieder Fundstücke: Mauern, irgendwelche Hallenreste, die nie abgerissen worden waren, jede Menge Müll und kaputtes Zeug. Das war genau mein Thema und ein ideales Gelände für mich, ich konnte das so entwickeln, wie ich es haben will. Ich habe auch viel aus meinem Fundus des alten Ateliers mitgenommen, an einem Wochenende haben wir locker 50 LKW-Fahrten gemacht. Andere sammeln Briefmarken, ich halt ein paar größere Sachen. Über die Zeit habe ich viele neue Sachen dazu gebaut. Letztendlich ist es das hier eine Rieseninstallation.
Andere sammeln Briefmarken, ich halt ein paar größere Sachen.
Odo Rumpf
Das Odonien steht als Atelier auch anderen Künstlern offen, zugleich ist es Club und bietet regelmäßiges Kulturprogramm. Wie entstand die Mischung?
Auch im Ausbesserungswerk fand ich es immer schon gut, den Raum für andere Kreativköpfe zu öffnen. Die großen Hallen schrien förmlich danach, Kunstformen aller Richtungen auszuprobieren, auch mit Publikum. Von Anfang an gab es daher für das Odonien die Idee, einen kleinen Biergarten einzurichten und Theater, Performance usw. zu integrieren. Ein Baustein von Odonien ist heute der Clubbereich, der zwar unglaublichen Genehmigungsaufwand erfordert, aber letztlich auch andere Sachen finanziert, wie zum Beispiel nicht rentable neue Performance- oder Musik-Events. Mittlerweile gelten bei den Veranstaltungen leider irrsinnige Auflagen, wir brauchen Security, gute Techniker, wir zahlen Unsummen an die GEMA, diese Kosten müssen natürlich getragen werden. Das heißt, wir müssen oft mit Förderprogrammen arbeiten und/oder quersubventionieren.
Wie bekommst Du den Spagat zwischen Veranstaltungsbetrieb und Kunstort hin?
Dass das so groß werden konnte, hängt auch mit den Mitarbeitern zusammen, die das mitleben, ihre Professionalität und Know-how einbringen. Im Clubbetrieb mische ich mich nicht ein, bei Formaten wie dem Roboter-Festival gehe ich natürlich tiefer rein, weil das meinen künstlerischen Freundeskreis betrifft. So hat jeder seine Sachen und das ist auch gut so. Ich mag es, die Dinge sich entwickeln zu lassen und offen zu sein – und das geht hier querbeet in allen Bereichen. Ich habe meinen eigenen Werkstattbereich mit Hof, wo ich das ganze Jahr über kreativ sein kann. Arbeiten an großen Installationen plane ich ein, wenn der Biergarten und das Kulturprogramm über den Winter pausieren. Diese Zeit brauche ich dann auch.
Was ist Deine Vision für das Odonien?
Es gibt noch viele Projekte zu Ende zu bringen, zum Beispiel eine Beschilderung für den Skulpturenpark mit QR-Codes und Videos. Dann geht es weiter mit der Restaurierung von alten Skulpturen. Aber große Veränderungen können und wollen wir auch gar nicht machen. Eine Vision ist eher, kleinere Projekte von Künstlern, die zu Besuch im Odonien sind und immer wieder neue tolle Arbeiten fürs Gelände schaffen, an einem anderen Ort umzusetzen – ein Kinetikmuseum irgendwo in Köln zu eröffnen. Das stelle ich mir toll vor.
Eingang Odonien: Hornstraße 85. Anfahrtsplan: hier. Öffnungszeiten Biergarten (Mai bis September): Freitag und Samstag ab 17 Uhr, Sonn- und Feiertags ab 15 Uhr. Aktuelle Veranstaltungen: hier.
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