Sie haben mit „Strzelecki Books“ 2009 Ihren eigenen Verlag in Köln gegründet. Wie kam es dazu?
Ich habe in Süddeutschland Soziologie studiert und bin 1996 nach Köln gezogen. Dort habe als selbstständige Grafikerin für große Verlage gearbeitet, auch ganz gut verdient und mir nach und nach ein solides Netzwerk aufgebaut. Mit der Zeit kam in mir der Wunsch auf, eines Tages eigene Bücher zu verlegen. Ab 2007 habe ich für das Museum Ludwig eine Heftreihe gestaltet. Meine Ansprechpartner beim Museum sagten mir, dass sie noch einen Verlag für die Heftreihe suchen. Das war in dem Moment der letzte Schubs, den ich gebraucht habe. Zwei Tage später bin ich zum Gewerbeamt marschiert und habe meinen eigenen Verlag angemeldet, in dem die Heftreihe dann auch veröffentlicht wurde. Mir war heiß und kalt in dem Moment. Aber irgendwie wusste ich, das muss ich jetzt tun.
Was braucht man außer viel Mut noch für so einen Schritt?
Man muss das Genre sehr lieben, denke ich. Ich habe nun täglich mit einem Medium zu tun, das in mir wirklich Leidenschaft entfacht. Die verschiedenen Oberflächen, Veredelungen, Papiere, aber vor allem natürlich auch die vielen verschiedenen Menschen, mit denen ich zu tun habe, geben mir unheimlich viel. Menschen und die Dinge, die aus ihrer Kreativität entstehen, hören einfach nie auf mich zu faszinieren.
Wie wählen Sie aus, was Sie in Ihrem Verlag veröffentlichen?
Das ist eine Mischung. Viele kommen auf uns zu, bieten uns etwas an und wir schauen, ob es passt. Aber ich bin auch selbst aktiv, beobachte viel, was in den sozialen Medien abgeht. Wenn mir dort etwas auffällt, was ich besonders oder spannend finde, bin ich meist sehr schnell im Kontaktaufnehmen. Manchmal lerne ich auch auf Ausstellungen jemanden kennen, der was Spannendes macht. Teils sind es Zufälle, die dann schließlich zu etwas Gemeinsamen führen
Welche Rolle spielen wirtschaftliche Überlegungen, wenn Sie über eine Veröffentlichung nachdenken?
Klar spielen die auch eine Rolle, das kann ich inzwischen ohne Scheu so sagen. Ich war da jahrelang sehr unerfahren, wusste nicht, wie der Buchmarkt überhaupt funktioniert. Inzwischen bin ich weitaus realistischer. Wir überlegen mittlerweile schon sehr sorgfältig, wie viel Aufwand eine Produktion bedeutet und wie viel wir an Verkäufen in den nächsten paar Jahren zu erwarten haben. Bei Produkten, die wir selbst initiieren, planen wir vorher die Strategien, um sie sichtbar zu machen. Dafür nutzen wir viel die sozialen Medien, oft in Form von Videoclips. Klassische Werbung ist für uns zu teuer.
Machen Sie mit den Buchverkäufen Gewinn?
Nicht wirklich. Es gibt eine Vielzahl an Stipendien und Förderungen, mit denen wir viele unserer Veröffentlichungen finanzieren. Außerdem verkaufen wir ja noch einige Produkte aus dem Non-Book-Bereich, Taschen, T-Shirts, Kalender. Und wir bieten Lesungen und andere Veranstaltungen an, die uns auch etwas Geld einbringen. Der Verlag besteht ja nun schon seit 15 Jahren und darauf bin ich stolz. Aber reich werde ich damit sicher nie.
Warum haben Sie Ihren Verlag in Köln gegründet?
In erster Linie, weil ich hier lebe. Aber auch, weil Köln eine sehr spannende, vielfältige Kunstszene hat. Um die Jahrtausendwende sind viele nach Berlin gegangen, weil da – angeblich – alles viel cooler ist. Vieles hat sich damals hier in der Stadt verändert, die Kunsthalle gab es nicht mehr, Köln war gefühlt nur noch Privatfernsehen, was wiederum viele junge Künstler abgeschreckt und zum Wegzug nach Berlin bewegt hat. Aber dadurch wurde auch wieder Platz frei für neues kreatives Potential. Ich dachte mir damals, dass das jetzt ein guter Moment für einen Verlag ist, der dieses neu entstehende Potential fördert.
Was ist das Besondere an der Kölner Kunstszene?
In Berlin ist alles ein bisschen hipper, aber eben auch anonymer. Köln ist kleiner, aber auch vernetzter. Es gibt hier in der Kulturszene ein sehr gutes Miteinander, keiner fühlt sich dem anderen überlegen. Es gibt nicht so eine Trennung zwischen Off-Spaces und Galerien und Museen. Jemand, der in Ehrenfeld einen Kunstraum bespielt, wird auch von etablierten Galeristen auf Augenhöhe behandelt.
Sie geben unter anderem die Ratgeberreihe „How to…“ heraus, in der man sich auf nicht ganz ernstgemeinte Art z. B. erklären lassen kann, wie man erfolgloser Musiker wird, wie man sein Leben in Cafés verbringen kann oder – und das erklären Sie als Autorin selbst – wie man ein Kunstbuch herstellt. Was lernt man aus Ihrem Ratgeber?
Oh ja, den Ratgeber kann ich nur empfehlen (lacht). Er entstand eigentlich aus einem Frustmoment heraus, weil mich die Fragen der Kundschaft genervt haben. Ich erkläre darin verschiedenste Fachbegriffe der Druckproduktion, die wahrscheinlich niemand kennt und braucht. Hauptsächlich aber geht es einfach darum, was nötig ist, damit ein Buch gut wird: von Anfang an viel miteinander zu sprechen, auch mal nachfragen, wenn man was nicht versteht und sich überlegen, wie viel das alles kosten darf und wird. Wir veranstalten auch Workshops unter dem Titel „HOW TO.. MAKE ART Books“ bei uns im Studio, an der KHM oder auch zuletzt an der Kunstakademie in Dresden. Da gebe ich meinen Student*innen oft den Rat: Überlegt euch gut, an welchem Punkt ihr gerade seid und ob aus dem, was ihr habt, wirklich schon ein Buch entstehen kann. Manchmal tut es auch erstmal eine Postkarte.
Haben Sie einen Liebling unter den Künstlern, die Sie bislang veröffentlicht haben?
Julius Vapiano, ganz klar. Heute morgen erst habe ich ein neues Manuskript von ihm in den Händen gehalten und mir war nach Weinen und Lachen zugleich und ich hatte am Ende einen Kloß im Hals, weil es so schön war.
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