Manchmal fühlt man sich in der Südstadt wie in Paris. Einerseits liegt das an der Architektur – mit wildem Wein überwucherte Backsteinfassaden, neogotische Herrenhäuser – und andererseits an der Nonchalance der Bewohner*innen. Es kommt durchaus vor, dass in den Parks des Viertels an weiß gedeckten Picknicktischen Rotwein getrunken wird. Die Südstadt Köln hat schon immer die Bohème angezogen, and it shows. Gleichzeitig ist die Südstadt aber auch urkölsch. So ist sie eines der Zentren des Karnevals. „Lewe un lewe lasse“ („Leben und leben lassen“) – man könnte sich durchaus vorstellen, dass diese tiefenentspannte lokale Devise in der Südstadt erfunden wurde. Zumindest scheinen die meisten Menschen, denen man hier über den Weg läuft, sie schon vor langer Zeit verinnerlicht zu haben.
In der Mitte der Chlodwigplatz: auf fünf Achsen in die Südstadt
Ein guter Startpunkt ist der Chlodwigplatz, von dem strahlenförmig fünf Straßen abgehen. Hinter der markanten Severinstorburg, eines der alten Kölner Stadttore, beginnt die Severinstraße, die an Geschäften des täglichen Bedarfs und Spezialisten, Boutiquen und Secondhand-Shops, Restaurants und Kneipen vorbei bis in die Kölner Altstadt führt. Man könnte die Merowingerstraße hinabspazieren und einen Blick in die bunten Schaufenster werfen, etwa bei „Frau Schmitt“, die regionales, fair produziertes Design anbietet. Oder eine Zimtschnecke im hundertprozentig veganen „Café Rotkehlchen“ probieren, das ausgerechnet in einer ehemaligen Metzgerei eröffnet hat.
Von der „Bananenrepublik“ zum „Eierplätzchen“
Oder man folgt stattdessen ein Stück der Bonner Straße. So kann man sich nicht nur einen Kaffee im „Café Einspänner“ gönnen, einer kleinen Espressobar mit großer Fensterfront und hervorragendem Gebäck, sondern landet auch bald an der „Bananenrepublik Köln“. Anwohner*innen haben die Verkehrsinsel in der Mitte eines Kreisverkehrs mit Bananenstauden, Palmen und Wildblumen bepflanzt und damit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht. Gleichzeitig ist die „Bananenrepublik“ der perfekte Orientierungspunkt, um eine weitere Sehenswürdigkeit der Südstadt nicht zu verpassen: die Teutoburger Straße, in der ein Großteil der historischen Gründerzeithäuser erhalten ist – eine Seltenheit im kriegszerstörten Köln. Ungestört vom Autoverkehr kann man in der Mittelallee flanieren und die prächtigen Gebäude zur Linken und zur Rechten bewundern. Und dann steht man schon auf dem „Eierplätzchen“, einem kleinen ovalen Platz, den Bäume und Bänke säumen. Hier kommen die unterschiedlichsten Menschen aus der Südstadt zusammen, hier wird geklönt und oft und gern musiziert, auch eine Band hat sich auf dem „Eierplätzchen“ schon gegründet. Sie heißt, man ahnt es, Eierplätzchenband.
Einer der schönsten der Stadt: der Friedenspark
In Sichtweite befindet sich das „Römerpark Cafehaus“ mit nostalgischem Interieur, wo man an Marmortischen unter prunkvollen Kristalllüstern sehr guten Kuchen essen kann. Und auch in den namensgebenden Römerpark sind es nun nur noch ein paar Schritte. Er ist klein und wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, und doch haben einige seiner mächtigen alte Bäume und Bauwerke wie neobarocke Balustraden und ein Steinpavillon überlebt. An den Römerpark grenzt der Friedenspark an, einer von Kölns schönsten Parks und ein echter Geheimtipp. Entstanden ist er Anfang des 20. Jahrhunderts rund um ein altes Fort, auf dem bis heute ein grünspanfarbener Adler hockt. In den letzten Jahren ist der Friedenspark etwas in Vergessenheit geraten. Hin und wieder hat man ihn deshalb ganz für sich allein. Er wirkt in jeder Jahreszeit verwunschen, mit einer überwucherten Pergola, die von akkurat gepflanzten Platanen zu einem Denkmal für John Lennons Friedenshymne „Imagine“ führt, und einem immergrünen Garten mit lauschigen Sitzecken, der sogenannten „Liebesallee“.
Weiter auf dem Ubierring: Indie-Bücher, Leuchtreklame und Flat White in der Südstadt
Auf dem Rückweg bietet sich ein Abstecher zum „Anderen Buchladen“ mit seinen einladenden großen Schaufenstern in einem Eck-Altbau an. Wer sich in guter Literatur abseits des Mainstreams, oft von kleinen Indie-Verlagen, verlieren und dabei einen unabhängigen Buchladen unterstützen will, ist hier genau richtig. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die an dieser Stelle zugegebenermaßen mehrere Fahrspuren und eine Straßenbahntrasse entfernt ist, findet man den ausgefallenen Möbelladen „Leo Leo Vintage“, der zum Beispiel alte Leuchtbuchstaben, Design aus vergangenen Jahrzehnten oder Vintage-Sonnenbrillen verkauft. Wer nach so viel Umherspazieren noch eine Stärkung braucht, kann im gemütlich-hippen „Café Walter“ einen Flat White trinken und eine großzügig belegte Stulle essen.
Den Abschluss macht – wie immer – der Rhein
Zurück an der Haltestelle Ubierring mit Blick auf den Prachtbau, in dem früher das Rautenstrauch-Joest-Museum untergebracht war, kann man – in der warmen Jahreszeit jedenfalls – den Rhein schon riechen. Das alte Hafengelände wurde zum Wohn- und Gewerbegebiet umgestaltet. Der Rheinauhafen beherbergt heute Restaurants und Büros, Wohnungen sowie Kunst und Kultur in historischen und modernen Gebäuden. Im Sommer gibt es hier Open-Air-Veranstaltungen wie Kino oder Lesungen. Man kann aber auch einfach die Promenade mit den denkmalgeschützten Hafenkränen entlangspazieren, den Blick über den Fluss mit seinen majestätischen Brücken schweifen lassen und sich für einen Moment so fühlen, als wäre man an der Seine.
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